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WOHNEN • LIVING


































               HAUS LORRAINE

               IN MECHELEN


               Entwurf • Design dmvA, BE-Mechelen



               Vom sozialen Brennpunkt zum attraktiven Lebensraum für eine multi-
               kulturelle Ge sellschaft hat sich die belgische Stadt Mechelen inner-
               halb weniger Jahre entwickelt. Mit der zeitgemäßen Rekonstruktion
               eines Eckgebäudes direkt am großen Marktplatz konnten dmvA Ar -
               chitecten unlängst ihren Teil zur Aufwertung der Stadt beitragen und
               zugleich attraktiven Wohnraum für fünf Parteien schaffen.



               von • by Christine Schröder
               M    echelen war einst eine blühende Handelsstadt und Bischofssitz, bevor sie zur drek-
                    kigsten Stadt Belgiens verkam. Glücklicherweise ist diese Entwicklung nun vorbei
               und die prachtvollen Jahrhunderte sind wieder spürbar, denn der stetige Verfall konnte
               gerade noch rechtzeitig gestoppt werden. Der Wandel kam mit dem seit 2001 amtieren-
               den Bürger meister Bart Somers, der neben einer Nulltoleranz-Politik auf die gleichberech-
               tigte Integration aller vor Ort lebender 138 Nationen setzt. So hat sich die kleine verwahr-
               loste Stadt in Flandern zu einer der attraktivsten im ganzen Land gemausert. Ein wichtiger
               Aspekt sind dabei die städtebaulichen Maßnahmen. Angefangen bei der Säuberung und
               Aufwertung von Stra ßen, Spielplätzen und Parks über attraktive Modelle für Laden eigen -
               tümer bis hin zur Sanierung ganzer Viertel. Und auch das Zentrum mit mehr als 300 denk-
               malgeschützten Renaissancebauten erstrahlt wieder in altem Glanz. Am großen Markt -
               platz, dem Grote Markt, haben die ortsansässigen Architekten von dmvA im Auftrag der
               Stadt ein verfallenes Eckgebäude neu gedacht. Neben der Sanierung des Bestandes ent-
               wickelten David Driessen und Tom Verschueren entlang der Scheerstraat drei Fassaden,
               die den kleinteiligen Rhythmus der historischen Umgebung und den strahlend weißen
               Anstrich des Ausgangsbaus aufnehmen. Gleichzeitig werden durch die Materialwahl – von
               der vollflächigen Verglasung über perforierte Betonfertigteile mit Kreuzmuster bis hin zu
               Alu minium lamellen – Geschichte und Gegenwart wirkungsvoll miteinander verwoben.
               Entstanden sind zwei Ladengeschäfte im Erdgeschoss und über vier Geschosse hinweg
               fünf vertikal organisierte Wohnungen zwischen 75 und 125 Quadratmetern. Die Er schlie -
               ßung erfolgt über eine interne Straße, die von privaten Terrassen überspannt ist. Deren
               Boden aus Streckmetall garantiert den Lichteinfall in alle Bereiche des tiefen Eck grund -
               stücks und trägt zum nachbarschaftlichen Austausch bei. Ebenso radikal wie außen sind
               die Archi tekten im Inneren vorgegangen. Sämtliche Oberflächen sind komplett in Weiß
               ausgeführt, der Grundriss weitgehend leer. Damit gewähren Driessen und Verschueren
               den Bewohnern ein hohes Maß an Freiheit, ihr neues Refugium zu bespielen.


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