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Entwurf • Design bernath+widmer Architekten, CH-Zürich
                                                                              Bauherr • Client privat
                                                                              Standort • Location Kühergasse 4, CH-Münchenwiler
                                                                              Nutzfläche • Floor space ca. 5.200 m 2
                                                                              Fotos • Photos Chevalier Roland Bernath, CH-Zürich
                                                                              Infos auf Seite • More infos on page 174




                Vom Landwirtschaftsbetrieb  zum Wohnparadies: Der  Zürcher
                Andreas Geser verliebte sich Hals über Kopf in eine historische
                Scheu ne in der 500-Seelen-Gemeinde Münchenwiler und ließ das
                denkmalgeschützte Gebäude durch die Archi tek ten von bernath+
                widmer erfolgreich  zu einem Wohnhaus umbauen. Heute profi -
                tieren insgesamt neun Wohnparteien von dem hochwertigen
                Scheunen  ausbau, der in jedem Raum und aus jedem Blickwinkel
                Neu und Alt scheinbar mühelos miteinander verschmelzen lässt.

                Conversion of an agricultural estate into a residential paradise:
                Andreas Geser from Zurich fell head over heels in love with a his-
                toric barn in the village of Münchenwiler with 500 inhabitants and
                had the listed facility successfully converted into a residential buil-
                ding by the architects from bernath+widmer. Today, a total of nine
                tenants benefit from the high-quality conversion of the barn, which
                allows new and old elements to merge seemingly effortlessly in
                every room and from every angle.





                von • by Henriette Sofia Steuer
                N   ach der Einführung der Reformation erschien es dem neuen Eigner 1535 nur allzu
                    logisch, die Anlage des alten Cluniazenserklosters in der Nähe des Murtensees
                abzureißen und aus dem gewonnenen Baumaterial an  selber Stelle  das Schloss
                Münchenwiler für die weltlichen Herrscher der Ländereien zu errichten. Im Zuge der
                Arbei ten entstand außerdem das spätere Kühlerhaus (Hirtenhaus), das als Pachtbetrieb
                200 Jahre später um einen imposanten Scheunenanbau erweitert wurde. Während das
                Schloss heute dem Kanton Bern gehört und als Hotel- und Veranstaltungsort ge nutzt
                wird, ist die Scheune im Besitz des Zürcher Land schafts architekten Andreas Geser, der
                die Idee hatte, aus dem ehemaligen Wirtschafts kom plex ein Wohngebäude mit Miet -
                woh nungen zu machen. Für die Umsetzung dieses Plans musste neben der Sanierung  Trotz der drastischen Nutzungsänderung blieb die historische ... • Despite a drastic change in use, the historic ...
                des Kühlerhauses die Scheune – im Kanton das größte Bauwerk seiner Art – nach allen
                Auf lagen des Denkmalschutzes restauriert werden. Im zweiten Schritt implantierten die  ... Konstruktion mit allen baulichen Details erhalten.  • ... construction with all details has been preserved.
                Archi tekten von bernarth+widmer eine reversible Holz kon struktion, die nach außen
                hin unsichtbar bleibt und nach innen drei  Voll ge schosse für sieben Mai so nette-
                Wohnungen unterschiedlicher Größen aufspannt. Das alte Wohnhaus wurde lediglich
                in seiner Grundrissstruktur bereinigt und mit zwei Etagenwohnungen versehen.

                Identität erhalten und Lebensqualität gestalten

                Sämt liche neu gewonnenen Wohneinheiten erstrecken sich über die gesamte Gebäu -
                de  tiefe und sind durch gemauerte Brandschutzwände voneinander abgetrennt. Dabei
                ist jede Wohnung vertikal organisiert und mit einem Eichenholz-Kern ausgebaut, der
                die schmalen Schotten -Einheiten zoniert und je nach Raumprogramm Treppe, Küche,
                Waschküche, Bad, WC-Einheit und Schiebetüren bereitstellt. Die Über gänge von einer
                Nutzung zur anderen bleiben so fließend und frei gestaltbar. Zugänge sowie Fenster
                wurden im gemauerten Erdge schoss durch die ursprünglichen Wand öffnungen gene-
                riert. Die Oberge schosse liegen dagegen hinter einer fensterlosen, mit Holz-Brettern
                luftig befüllten Fach werk struktur. Um dennoch eine funktionierende natür liche Belich -
                tung für die bis zu fünf Meter hohen Wohnräume zu erreichen und darüber hinaus pri-
                vate Outdoor bereiche zu  schaffen, wurde  eine zweite voll verglaste  Fassade  nach
                innen versetzt, die zwischen neuer und alter Bausubstanz wettergeschützte Loggien
                ermöglicht. Die historische Fassade sorgt hier außerdem für reichlich Privatsphäre und
                ein effektvolles Licht- und Schattenspiel. In der Materialität setzten die Planer — in
                Anlehnung an die Qualitäten des Bestandes — auf möglichst naturbelassene Produkte


                                                                                                                              AIT 3.2018 •  143
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