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ECIA Working Group (v.l.n.r.):
Albert Fuster i Marti (ES),
Marianne Daepp (CH), René
Pier und Prof. Tüüne-Kristin
Vaikla PhD (EE).
Nicht im Bild:
Empfangsbereich mit Konturleuchten, Büros Fairmas GmbH im EUREF-Campus, Berlin. Büro: Schienbein + Pier, Stuttgart. René Pier Freier Innenarchitekt AKBW bdia. Portraitfoto: Christoph Beer.
Jeremy Williams MNIL (NO)
Mit der Charta wird das Ziel verfolgt, dass Hochbauarchitektur und den angewandten zen nutzt, um sicherzustellen, dass Studie-
diese in den europäischen Mitgliedstaaten Künsten braucht eine klare Bestimmung, rende die Ausbildung und das Wissen
für nationale Diskussionen über Bildungs- die über den reinen physischen Raum hi- haben, das Innenarchitekt*innen befähigt,
politik, Lehrplanentwicklung in Bildungs- nausreicht. Hierzu kommt nun die Integra- in den Beruf einzusteigen oder das Studium
einrichtungen und Anerkennungsprozesse tion anderer wissenschaftlicher Forschung nach Abschluss der obligatorischen Ausbil-
in den einzelnen nationalen Organisationen ins Spiel. Disziplinen wie Soziologie, Psycho- dung fortzusetzen.
verwendet wird. Sie folgt den Direktiven des logie und Medizin beschreiben die Wirkung
Bologna-Prozesses zur Erlangung von Wis- von Räumen auf den Menschen und sollten Ausblick
sen, Fähigkeiten und Kompetenzen im Stu- somit gleichwertig in die Lehre einbezogen Der ECIA hat sich im EU-Förderprogramm
dium, aber sie erweitert die Ausbildung zum werden. „Creative Europe“ beworben, um die wei-
Bachelor und Master um den dritten Weg, terführende Forschung und Entwicklung
der zu einem PhD/ Doktortitel führen soll Sinnhaftigkeit jeder Raumgestaltung der Charta zu finanzieren. Dabei steht die
und die Disziplin Innenarchitektur sowie Ziel der Hinwendung zu anderen wissen- Umsetzung der Matrix in ein datenbasiertes
den Berufsstand der Innenarchitekt*innen schaftlichen Disziplinen ist es, die Sinnhaf- 3D-Modell im Vordergrund. Wird der Be-
gleichermaßen in der Theorie voranbringen tigkeit jeder Raumgestaltung in den Vor- scheid positiv ausfallen, dann könnte aus
kann. dergrund zu stellen. Ein Raum kann einen dem erstellten 3D-Datenmodell zudem eine
Menschen beeinflussen und tiefe Emotio- Art Editor abgeleitet werden, mit dem sich
Struktur der Lehre nen wecken, dessen sollten sich Innenarchi- die Hochschulen in Europa ein eigenes Lehr-
Am Anfang der Charta steht die Definition tekt*innen immer und bei jeder Gestaltung profil erstellen können, welches dann wie-
zur Innenarchitektur: bewusst sein. derum zu einer transparenten Darstellung
von Lehrinhalten führt. Studierende könn-
„Bei der Innenarchitektur geht es um die So wie jeder Raum, in dem sich Menschen ten sich anhand dieses Datenmodells sehr
Beziehung zu den von Menschen geschaffe- aufhalten, zu einem sozialen Raum wird schnell entscheiden, welche Gewichtung
nen Räumen, in denen wir leben und die wir und bestimmt wird durch Kommunikation der Lehrinhalte in Bezug auf die drei Ebenen
im Laufe unseres Lebens nutzen.“ mit dem Raum und der Menschen unterei- des Raumes am besten zur eigenen Präfe-
nander, muss auch die mentale Ebene des renz passt.
Neben dieser selbstbewussten Definition Raumes betrachtet werden.
beginnt die Charta mit der Einführung in
das Prinzip zur Gliederung der Lehrinhalte Als mentaler Raum werden jene Raumer-
an einer horizontalen und in einer vertikalen fahrungen betrachtet, die Menschen im
Achse. Die horizontale Ebene bezieht sich Laufe ihres Lebens machen und die als all-
auf die drei Ebenen der Wahrnehmung von gemeingültige Rauminstinkte und Raumer-
Räumen. Die vertikale Ebene bezeichnet die fassung im Hippocampus unseres Gehirns
Fotograf Frieder Blickle. Gruppenbild: Jeremy Williams Lernebenen zur Erlangung des BA, des MA als Assoziation beim Lesen eines Textes oder René Pier, Freier Innenarchitekt AKBW bdia, Vertreter
über unsere genetische Entwicklung ange-
Lerntiefe in Anlehnung an Blooms Taxono-
legt sind. Quasi ist auch jeder Raum, der
mie. Nur wird in der Charta die gesamte
nur in der Vorstellung entsteht, zum Beispiel
Lerntiefe auf drei Teile aufgeteilt, auf die
bei der Planung, ein mentaler Raum. Mit
und des PhD oder Doktortitels.
zunehmender Digitalisierung werden wir
uns auch mit Metaräumen beschäftigen,
Gerade die Erweiterung der Lehre der In-
nenarchitektur auf drei Ebenen der Wahr-
die nur als Code existieren und die über Vi-
nehmung von Räumen bezeichnet einen der
sualisierungswerkzeuge erzeugt und erleb-
größten Unterschiede zur herkömmlichen
bar gemacht werden.
Lehre. Die bisherige Konzentration auf die
Erstellung des physischen Raums verhindert
Der Ansatz der Charta-Revision 2020 ist aus
der Fachrichtung Innenarchitektur im Landesvorstand
der Perspektive der Berufspraxis entstanden,
eine Schärfung des Profils der Innenarchi-
AKBW, hat entscheidend an der Novellierung der ECIA
tekt*innen. Innenarchitektur als eine Dis-
und es ist die Absicht, dass jede Bildungs-
Charta 2020 mitgearbeitet.
ziplin im Spannungsverhältnis zwischen
einrichtung diese geforderten Kompeten-
Büro: Schienbein + Pier Innenarchitekten, Stuttgart
AIT 1/2.2022 • 123