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Beherrscht wird die Stadtsilhouette durch den mächtigen Renaissance-Bau des Palazzo Ducale (2).
























             Das holzvertäfelte Studiolo im Palazzo Ducale (2) ist einer der spektakulärsten Innenräume der Renaissance.  Vom Dach der Facoltà di Magistero (4), einem Bau de Carlos, öffnet sich der Blick in die Landschaft.


             V   ier Männer haben das heutige Gesicht von Urbino entscheidend geprägt: Im 15. Jahr-  1950er-Jahren bildete die erste Zusammenarbeit von Carlo Bo und Giancarlo de Carlo. -
                 hundert waren es der legendäre Renaissance-Fürst Federico da Montrefeltro, die
                                                                           Entlang der Via Aurelio Saffi schließen sich die Gebäude der Fakultät für Lehramtsstu
             „Nase Italiens“, und sein Festungsbaumeister Francesco di Giorgio Martini, die der Stadt  diengänge, Facoltà di Magistero (4), der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften, Facoltà
             auf zwei Hügeln ihre monumentale Form verliehen; im 20. Jahrhundert wiederum taten  di Economia (5), sowie der Juristischen Fakultät, Facoltà di Legge (6), an. Alle drei Ein-
             sich der allmächtige Universitätsdirektor Carlo Bo und der Architekt Giancarlo de Carlo  richtungen entstanden zwischen den 1960er- und 1990er-Jahren nach Plänen von de
             zusammen, um die historische Residenz zur modernen Hochschulstadt um- und weiter-  Carlo als Umbauten und Erweiterungen vorhandener Gebäude. Die historischen Fassa-
             zubauen. Seit mehr als zwei Jahrzehnten gehört die Renaissance-Stadt nun zum Unesco-  den ließ der Architekt dabei vielfach unangetastet, während im Inneren mitunter voll-
             Weltkulturerbe, und dank der Universität setzt sich die Einwohnerschaft heute zur Hälfte  kommen neue Raumzusammenhänge entstanden, etwa um große, mehrgeschossige
             aus Studenten und Professoren zusammen. Diese Mischung verleiht der Stadt ihren Reiz!  Hör säle einzubringen. Der schönste Ort innerhalb des Ensembles ist die begrünte Dach-
                                                                           terrasse des „Magistero“ mit ihrem majestätischen Ausblick auf die Hügellandschaft im
             Samstag: Ein Spaziergang durch die Unesco-Stadt               Süden der Stadt. Das kelchförmig ansteigende Glasdach, das die Terrasse im Halbkreis
                                                                           umgibt, leitet das Tageslicht bis in die tief unter der Erde liegen de Aula Magna. In unmit-
             r 10.00 Uhr – Unsere erste Station ist ein Weinberg sieben Kilometer nördlich der Stadt.  telbarer Nachbarschaft zu den Universitätsbauten liegt auch das Istituto Superiore per
             Hier errichtete Giancarlo de Carlo 1968 im Auftrag des Philosophie-Professors Livio Sichi-  le Industrie Artistiche (7), die Designhochschule der Stadt. Sie ist in einem alten Renais-
             rollo und seiner Frau Sonia Morra ein außergewöhnliches Wochenendhaus im Stil des  sance-Kloster untergebracht, das nach Plänen Francesco di Giorgio Martinis entstand, al-
             New Brutalism, dessen komplexe räumliche Gliederung einen ersten Vorgeschmack auf  lerdings nie vollendet wurde. Die an drei Seiten von Loggiengängen gefasste Gartenan-
             die Universitätsbauten des Architekten in Urbino liefert. Seit einigen Jahren ist die Ca´  lage des alten Klosters, die in dem labyrinthischen Gebäudekomplex nur findet, wer ge-
             Romanino (1) im Besitz einer Stiftung, die das Haus für jeweils 24 Stunden an Architek-  zielt danach sucht, ist der ideale Ort für eine kleine Verschnaufpause oder ein Picknick.
             turinteressierte vermietet (siehe AIT 12/2019). Es wird unser erstes Quartier!  Außer ein paar Studenten stört niemand die Ruhe; Touristen verirren sich nur selten hier-
             r 12.00 Uhr – Nachdem wir das Haus in Besitz genommen haben, geht es zum Palazzo  her! Wer es aufgeregter und lauter mag, dem sei ein Imbiss im Caffè Degli Archi (8) emp-
             Ducale (2), dem Herzogspalast, der die Altstadt auf dem Osthügel von Urbino dominiert.  fohlen. Hier sitzt man hinter mächtigen Arkaden, die dem Café seinen Namen gaben,
             Vom obersten Balkon der berühmten Doppelturm-Fassade aus überblickte Federico da  und kann entspannt das lebhafte Treiben auf der Piazza della Repubblica verfolgen.
             Montrefeltro sein Reich. Das ganze Gebäude war auf diesen Herrschaftsblick hin konzi-  r 16.00 Uhr – Nach einer kleinen Stärkung ist unser nächstes Ziel das Oratorio di San
             piert. Der beeindru ckendste Innenraum des Gebäudes wiederum ist das vollständig mit  Giuseppe (9). Es versteckt sich in den engen und steilen Gassen des Westhügels. Hier
             perspektivisch angelegten Holzintarsien verkleidete Studiolo des Herzogs. Es ist einer der  wohnten früher die Händler und Handwerker der Stadt; Raffael wurde hier geboren! Das
             spektakulärsten Innenräume der Renaissance! Unmittelbar neben dem Palast erhebt sich  barocke Oratorio besteht aus einer Ansammlung verschiedener Kapellen und Gebets-
             der Palazzo Bonaventura. Er beherbergt die Hauptverwaltung der Universität (3). Die  räume. Das architektonische Highlight der Anlage ist eine künstliche Grotte mit einer be-
              Sa nierung des historischen Gebäudes und dessen Umbau zu Verwaltungszwecken in den  zaubernden Krippendarstellung des Bildhauers Federico Brandani. Nach dem Besuch

                                                                                                                          AIT 1/2.2020  •  031
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