Page 2 - AIT1121_Introspektion
P. 2

048-051_AIT1121_Studierende entwerfen_pb_Layout 1  22.10.2021  15:10  Seite 049








                                                                                               Enya Rosing


                                                                                               2014-2018 Bachelorstudium Innenarchitektur, Hochschule Wismar mit
                                                                                                Auszeichnung  2018-2021 Werkstudentin bei Lübs und Brendel, Flensburg
                                                                                               2018-2021 Masterstudium Exhibition Design, Hochschule Düsseldorf




              von • by Enya Rosing
             I  seldorf – betreut durch Professorin Dr. Viola Vahrson und Dr. Ulrich Spieß – war die
               n meiner Masterthesis des Studiengangs Exhibition Design an der Hochschule Düs-
             Fragestellung, inwiefern der normale Informationsfluss, bei dem Informationen von
             der Ausstellung zum Rezipienten geleitet werden, umgekehrt werden kann; also Infor-
             mationen vom Rezipienten selbst ausgehen und so der Besuchende in den Mittelpunkt
             gestellt wird. Was wäre also, wenn eine Ausstellung „fragen‘„, anstatt „sagen“ würde?
             In unserem alltäglichen Leben gibt es kaum die Gelegenheit, einmal anzuhalten und
             den Blick gezielt ins Innere zu wenden, um sich selbst besser zu verstehen. Dieser Ge-
             danke wirkt bei den meisten Menschen wohl erst einmal etwas befremdlich, wenn sie
             sich mit sich selbst beschäftigen sollen. Wer man ist, scheint zunächst offensichtlich,
             doch ist dies eine schwierige und komplexe Frage. Warum bin ich hier? Was will ich?
             Wer bin ich? Und was ist mein „Selbst“ überhaupt? Um ein selbstbestimmtes Leben
             zu führen und uns zu fragen, wie wir unser Leben verbringen wollen, ist es von gro-
             ßem Vorteil, wenn man reflexiv über sein eigenes Selbst nachdenkt, denn es birgt die
             Möglichkeit, ein erfüllteres und aktiveres Leben zu führen. Wenn wir uns über unser
             Selbst bewusst sind, können wir Entscheidungen treffen, die unserem Wesen entspre-
             chen, anstelle von Entscheidungen, die wir unbewusst fällen. Das Nachdenken über
             die Fragen, die uns im Alltag niemand stellt, ist das Ziel. Manchmal braucht es den
             Anstoß von außen, um sein eigenes Leben zu verbessern oder vielleicht auch nur, um
             es zu verstehen. Dieses Ausstellungsobjekt soll den Besucher zur Selbstreflexion ver-
             anlassen und dieser Reflexion einen räumlichen Rahmen geben, indem es einerseits
             das „Selbst“ und die Selbstreflexion in den drei großen Fachbereichen Philosophie,
             Psychologie und Hirnforschung thematisiert und andererseits Fragen stellt, die das ei-
             gene Leben betreffen. Die erklärenden Elemente bezüglich der drei Fachbereiche be-
             finden sich entsprechend der Symbolik auf der Außenseite des Ausstellungsobjektes.
             Introspektion: ein partizipatives Ausstellungskonzept über das Selbst


             Das Leitsystem führt die Besuchenden nach den generellen Informationen – einer er-
             sten „informierenden“-Ebene in der Außenwelt – an den Eingang des inneren Raums.  Im Inneren wirft eine Projektion Fragen auf die Wand. • Inside, questions are projected onto the wall.
             Dort befindet sich eine Karte, die Überforderung der Konfrontation mit sich selbst ein-
             dämmen soll – die zweite Ebene „Fragen“ kommt hier zum Tragen, in der es um die
             Interaktion zwischen Besuchenden und Ausstellungsobjekt geht. Im besten Fall ver-  Ein Fragenkatalog ergänzt die Ausstellung. • A question catalogue complements the exhibition.
             lässt man den Raum mit mehr Fragen, als man zuvor hatte. Sobald der Besucher den
             Kern betritt, kann er, in einer privaten Atmosphäre, seinen Blick nach innen richten,
             indem er mit Fragen über sich selbst konfrontiert wird. Hier geht es um bewusste oder
             unbewusste Fragen, die einer tieferen Erklärung bedürfen und sich somit in den Kä-
             sten befinden. Sobald er sich wendet, betritt er eine digitale Animation – der somit
             dritten und letzten Ebene „Machen“ – wo er aufgefordert wird zu partizipieren. Mittels
             des Fragenkatalogs in der digitalen Installation wird dem Besucher eine Differenz zwi-
             schen dem Ist und dem Soll aufgezeigt. Sobald der Besucher näher an die Wand tritt,
             wirft er seinen eigenen Schatten, analog zu C.G. Jungs Schatten im Modell der Psyche,
             als sein Unbewusstes. Da man nicht davon ausgehen kann, dass jede Frage für jeden
             Besucher gleichermaßen wichtig ist und sich vielleicht nicht jeder an einen genauen
             Wortlaut einer Frage erinnern kann, gibt es die Möglichkeit, diese Gedanken in Form
             von Postkarten als Andenken oder Weiterführung des Blickes ins eigene Innere mit
             nach Hause zu nehmen. Die Überforderung angesichts der Vielzahl der Fragen kann
             somit nochmal reduziert werden. Wer man ist und was man will, sind Fragen im
             Leben, die sich jeder früher oder später stellt, der unzufrieden mit den Umständen sei-
             nes oder ist. Einigen Menschen fällt es sehr leicht, eine Antwort für sich zu finden. An-
             deren gelingt dies vielleicht ein Leben lang nicht. Auch wenn eine passable Antwort
             gefunden wurde, muss diese nicht für den restlichen Lebensweg gelten. Denn beson-
             ders in unserer immer schnelllebigeren Gesellschaft ist es ein Prozess, der immer wie-
             der infrage gestellt werden muss.

                                                                                                                           AIT 11.2021  •  049
   1   2   3   4