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Francesca Depfenhart Jan Moritz Bortt
2014–2018 B.A. Architektur, HfT Stuttgart 2017 Praktikum Von M, Stuttgart 2015–2018 B.A. Architektur, HfT Stuttgart 2017–2018 Auslandssemester,
2018 Mitarbeit Wenzel+Wenzel, Stuttgart 2018–2021 M.Sc. Architektur und Cardiff University, Wales seit 2017 Mitarbeit KUBUS360, Stuttgart
Stadtplanung, Uni Stuttgart seit 2019 Mitarbeit JSB Architekten, Stuttgart 2018–2021 M.Sc. Architektur und Stadtplanung, Uni Stuttgart
von • by Francesca Depfenhart und Jan Moritz Bortt
U nsere Masterarbeit an der Fakultät für Architektur und Stadtplanung der Universität
Stuttgart, betreut durch Professor Markus Allman und Professor Alexander Schwarz,
befasst sich mit der Aufarbeitung der südlichen Überwerfungsbauwerke am Stuttgarter
Gleisbogen. Das Thema einer Revitalisierung dieser Bauwerke basiert auf der Entwurfs-
idee des 1. Preisträgers aus dem 2018 ausgelobten städtebaulichen Wettbewerb: „Rosen-
stein – Ideen für den neuen Stadtteil“. Der Gewinner dieses Wettbewerbs asp Architekten
schlägt im Herzen des Quartiers einen neuen Park vor. Dabei soll die topografische Kante
zwischen den Gleisanlagen und dem unteren Schlossgarten geglättet werden. Die ehema-
ligen Überwerfungsbauwerke der Bahn bleiben dabei erhalten und werden mit neuen Flä-
chen für Subkulturen wiederbelebt. Dadurch erhält der historische Rosensteinpark Rich-
tung Norden eine Reparatur und bekommt einen Teil seiner ehemaligen Fläche zurück.
Das südliche Überwerfungsbauwerk ist das Bindeglied zwischen dem Stuttgarter Schloss-
garten und dem neu zu erstellenden Gleisbogenpark. Ursprünglich diente die dreigeschos-
sige Brückenanlage dem Bahnverkehr und minimierte die Kreuzungspunkte der einfah-
renden Züge in den Stuttgarter Hauptbahnhof. Das Bauwerk wurde aus Stahlbeton gefer-
tigt und bietet durch seine massive Bauweise die Möglichkeit zur Umnutzung. Im Zuge des
Gleisfeldrückbaus soll die knapp 400 Meter lange Stahlbetonstruktur freigelegt werden.
Dieses einzigartige Erscheinungsbild gilt es zu erhalten, sensibel zu behandeln und seine
architektonische Anmutung durch einen neuen Nutzungsvorschlag zu stärken. Unsere Ant-
wort auf die Nutzungsfrage für das südliche Überwerfungsbauwerk ist die Typologie einer
Orangerie. Durch den Neubau von Stuttgart 21 und den damit verbundenen Gleisfeldrück-
bau erachten wir es als besondere Möglichkeit, der Orangerie ihren Platz im Stuttgarter
Schlossgarten zurückzugeben. Diese soll in Kombination mit dem imposanten, südlichen
Überwerfungsbauwerk einen attraktiven Ort im Stuttgarter Schloss garten schaffen, der vor
allem in den kalten Monaten ein einzigartiges botanisches Erlebnis bietet.
Die „Nouvelle Orangerie“ als Treffpunkt aller Gesellschaftsschichten
Anders als im 19. Jahrhundert schreibt die Neue Orangerie der Kultivierung und der Prä-
sentation der Pflanze den gleichen Stellenwert zu und macht beide Bereiche zugänglich Frei von Hierarchien: Botanik in der Neuen Orangerie. • Free of hierarchies: Botany in the new orangery
und einsehbar für den Besucher. In Zukunft ist die begehrenswerte exotische Pflanze folg-
lich keiner gesellschaftlichen Schicht mehr vorbehalten und nimmt dadurch eine beson-
dere Rolle ein: Sie ist hierarchiefrei, versöhnend und vereinend. Als landschaftliches Ele- Marktplatz im umgenutzten Überwerfungsbau. • Market square in the converted flying junction
ment erstreckt sich die Neue Orangerie entlang des südlichen Überwerfungsbauwerkes
und bildet dabei eine Erweiterung in Form einer zusätzlichen Achse. Sie versteht sich nicht
nur als attraktiver Anziehungsmagnet im Stuttgarter Schlossgarten, sondern schafft durch
ihre Positionierung eine schützende und metaphorisch „archivierende“ Wirkung des süd-
lichen Überwerfungsbauwerkes. Als abgestuftes Objekt mit unterschiedlichen Höhenni-
veaus soll der Neubau einen fließenden Übergang zwischen den beiden Landschaftsparks
Gleisbogenpark und Schlosspark erzeugen. Den einzigartigen Charakter erhält das Ge-
bäude durch seine längliche, elegante Form mit einem Hochpunkt am Ende der Achse.
Durch die Segmentierung des Baukörpers in drei ablesbare Nutzungen nimmt die Oran-
gerie Bezug zur neuen Randbebauung des Stuttgarter Nordbezirkes. Schaugewächshaus
und Nutzpflanzenhaus definieren sich dabei als liegende Volumen, während sich der Was-
serturm als Hochpunkt des Ensembles abzeichnet. Als viertes Element bildet das Anzucht-
haus den Sockel der drei anderen Baukörper und erzeugt so eine erste Höhenüberwin-
dung zum Gleisbogenpark. Mit dem Anlegen von Beeten mit unterschiedlichster Bepflan-
zung auf dem Dach des südlichen Überwerfungsbauwerkes wird der neu entstehende
Gleisbogenpark weitergeführt. Dabei zeichnet ein strenges Raster aus fußläufig erschließ-
baren Wegeverbindungen die Architektur des darunterliegenden Bestandsbaus nach. Der
Nutzgarten, als zusätzliche Erweiterung der Biodiversität zur mediterranen Pflanze in der
Orangerie, dient dabei hauptsächlich dem Anbau heimischer Gewächse. An den Seiten
wird das Gebäudeensemble von Weinreben flankiert. Diese bilden einen natürlich, flie-
ßenden Übergang der unterschiedlichen Grünräume.
AIT 10.2021 • 039