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Annika Schürk
1996 geboren in Singapur 2019 Bachelor Innenarchitektur, HS RheinMain
2019 + 2022 Auslandssemester in IT-Neapel und US-Cincinnati 2023 Master
Innenarchitektur, HFT Stuttgart seit 2023 studio aisslinger, Berlin
Klimatisierung gelingt dank Verdunstungskälte über Stoffhängungen. • Air conditioning thanks to evaporative cooling. Tonröhren im Lehmmauerwerk sorgen für eine blendfreie Belichtung. • Clay tubes provide glare-free lighting.
von • by Annika Schürk, Berlin
F rauenrechte sind Menschenrechte. Doch in Uganda, wie in vielen anderen Teilen der Technik der auf dem Dach montierten Photovoltaikanlage zur Verfügung. Außer-
der Erde, sind Frauen gegenüber Männern noch immer benachteiligt und stark
dem können dort auch Getreide und andere Lebensmittel, die auf den Feldern hinter
von physischer oder sexueller Gewalt betroffen. Zudem haben sie oft keinen Zugang zu dem Zentrum angebaut wurden, eingelagert werden. Ein intimer Beratungsraum, zwei
Bildung, weshalb ihnen kaum wirtschaftliche Entscheidungsfreiheit zuteil wird. Meine Schlafsäle mit in die Wände integrierten Stockbetten und die Sanitäranlage mit fließen-
Masterarbeit „Women’s Empowerment Center – Uganda“ zielt deshalb darauf ab, einen dem Wasser bilden ergänzende Rückzugsräume für die Frauen.
Bildungs-, Aufklärungs- und Begegnungsraum zu schaffen, der zur Gleichstellung der
Geschlechter, Wissensvermittlung und wirtschaftlichen Selbstbestimmung beiträgt. Nachhaltige und klimagerechte Raumqualitäten
Frauen sollen hier mithilfe von Workshops und Seminaren darin unterstützt werden,
ihr eigenes Einkommen zu generieren und unabhängig zu leben. Ein wichtiger Aspekt Um ökologische und wirtschaftliche Auswirkungen des Materialtransports zu mini-
bei der Entwicklung des Zentrums war für mich die Berücksichtigung der Bautraditio- mieren und die Verbindung mit dem lokalen Kontext zu betonen, habe ich für das
nen Ugandas sowie die Integration des Projekts in den ökologischen und kulturellen Projekt regionale Materialien gewählt: Die Wände bestehen aus Stampflehm, ebenso
Kontext des Landes, indem etablierte Prinzipien der modernen Architektur mit lokalen der Boden, der als natürlich stabilisierter Untergrund wie Bodenbelag eine extrem
Traditionen kombiniert werden. Aus diesem Grund liegt meinem Entwurf die traditio- harte und strapazierfähige Oberfläche bildet. Einfache Tonröhren dienen als Öffnun-
nelle Bauform eines ugandischen Bantu-Dorfs als Organisationsprinzip zugrunde. gen in den Wänden und können von einheimischen Frauen beigesteuert werden. Das
Dach des Baus bildet ein Raumtragwerk aus Bambusrohren, das über den Wänden zu
Tradition und Moderne im Einklang „schweben“ scheint und eine gute natürliche Gebäudebelüftung begünstigt. Für ein
angenehmes Raumklima werden in das mit verzinkten Wellblechen gedeckte Tragwerk
Die verschiedenen Nutzungen verschneiden sich hier in kreisrunden Einheiten und Stoffbahnen aus Bananenfasern eingehängt, welche zur Unterstützung der adiabaten
ordnen sich zugleich um einen Innenhof mit Wassersammelbecken an. Dabei bilden Kühlung beitragen. Um weder auf ein allgemeines Abwassersystem noch auf eine
die zylindrischen Raumstrukturen für die Frauen einen den Hof umschließenden, intro- externe Wasserversorgung angewiesen zu sein, habe ich im Women’s Empowerment
vertierten Schutzraum, der ein Gefühl der Sicherheit vermitteln soll. Durch die offene Center Komposttoiletten ohne Wasserspülung und ein Regenwassersammelsystem
Gestaltung der Räume nehmen die einzelnen Bereiche Sicht- wie auch Funktionsbezie- eingeplant: Die Komposttoiletten trennen Urin und Exkremente und können so zu
hungen zueinander auf. Die Position des Eingangstores leitet die Besucherinnen direkt Komposterde und Dünger verarbeitet werden. Das Regenwasser wird zur Gewinnung
zum sozialen Treffpunkt und damit öffentlichen Bereich des Zentrums: dem Innenhof. von Trink- und Nutzwasser über die Dachflächen gesammelt und in einer unter dem
In direktem Bezug zum Eingang befindet sich zudem ein Büro, welches als erste Anlauf- Sanitärbereich situierten Zisterne gespeichert. Zusammen mit der großzügigen Dachbe-
stelle dient. Unmittelbar daneben liegt das „Ressource Center“, wo die Besucherinnen schattung ist mir alles in allem eine dem Standortklima Rechnung tragende Architektur
Zugang zu unterschiedlichen Informationen haben und sich selbstständig weiterbil- gelungen, die den Innenraum auf passive Weise kühlt. Das Zentrum kann darüber
den können. Im multifunktionalen Seminarraum finden Workshops statt, in denen hinaus als kostengünstig wie ressourcenschonend gesehen werden und soll zu guter
die Frauen handwerkliche Fertigkeiten erlernen können. Zusätzlich gibt es für weitere Letzt die lokale Gemeinschaft durch einen partizipativen Ansatz stärken. Der formelle
Veranstaltungen ein kleines Amphitheater, das sich zum begrünten Innenhof hin öffnet. Kontrast zwischen den zylindrischen Wandrundungen und der rechteckigen Dachform
Darüber hinaus steht ein Lager für diverse Utensilien des täglichen Gebrauchs sowie wie Bodenplatte fügt sich zudem harmonisch in die umgebende Baukultur ein.
AIT 7/8.2024 • 039