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Marcel Breuer
Foto: Archiv/Thonet 1902 geboren in HUN-Pécs 1920-24 Tischlerlehre Bauhaus Weimar ab 1921
Büro W. Gropius 1925 Möbelwerkstatt Dessau 1929 Bürogründung Berlin
1933 Emigration USA 1941 Bürogründung New York 1981 Tod in New York
Fotos: Christian Schaulin
Hotel Terminal Neige – Le Totem nach seinem Make-over durch Guillaume Relier von R Architecture aus Paris • Hotel Terminal Neige – Le Totem after its renovation by Guillaume Relier from R Architecture in Paris
Das zwischen 1960 und 1979 von Marcel Breuer entworfene Skires- The Flaine ski resort designed by Marcel Breuer in the French Alps
sort Flaine in den französischen Alpen lässt die Herzen von Winter- between 1960 and 1979 makes the hearts of winter-sport fans and
sportlern und Designliebhabern noch heute höher schlagen. Die Ar- design lovers beat faster too this day. The architecture journalist
chitekturjournalistin Kristina Raderschad hat das am Reißbrett ent- Kristina Raderschad has visited for us the total work of art plan-
worfene Gesamtkunstwerk für uns besucht. Genächtigt wurde im ned on the drawing board. The night was spent in the listed Hotel
denkmalgeschützten Hotel Terminal Neige – Le Totem, das seit einer Terminal Neige – Le Totem which, ever since the interior has been
Innenraumsanierung durch das Pariser Büro R Architecture vor allem refurbished by the Paris R Architecture office, is to attract a young,
ein junges internationales Publikum anziehen soll. international clientele above all.
von • by Kristina Raderschad
Z u seiner Entstehungszeit war es eine Sensation, bis heute ist es ein spektakuläres moderner Kunst waren, wurden auf Plätzen und Freiflächen zwischen den Gebäuden
und meisterhaft erhaltenes Gesamtkunstwerk auf über 1.600 Metern Höhe: Das Res-
und den angrenzenden Skipisten im Laufe der Jahre Skulpturen von Pablo Picasso (Tête
sort Flaine in den französischen Alpen. 1959 war das bis dato unberührte Hochplateau de Femme), Victor Vasarely (Three Hexagons) und Jean Dubuffet (Le Boqueteau des 7 ar-
im Grand Massif, zwischen Genf und Chamonix, durch den Geophysiker Éric Boissonnas bres ) aufgestellt. Diese monumentalen und teils farbenfrohen Kunstwerke erscheinen
und den Schweizer Architekten Gérard Chervaz für den Wintersport entdeckt worden – als integraler Bestandteil der Anlage – ikonische Architektur und Kunst des 20. Jahrhun-
und ist heute auch im Sommer beliebter Ausgangspunkt für Wanderungen und Biketou- derts gehen in der tief verschneiten Winterlandschaft eine einzigartige Symbiose ein. Wer
ren in die atemberaubende Bergwelt. Sowohl für den Masterplan als auch für die Kon- mit dem Auto vom nur eine Stunde entfernt gelegenen Flughafen Genf hoch in die Berge
zeption des Überbauungsprojektes zeichnet niemand Geringeres verantwortlich als der Richtung Flaine fährt, findet sich in der scheinbar unberührten märchenhaften Welt des
ehemalige Bauhäusler Marcel Breuer, der ab 1941 sein Planungsbüro in New York führte. Grand Massif rund um den majestätischen, weithin sichtbaren Mont Blanc wieder.
Der Architekt und Möbeldesigner entwarf im Auftrag von Éric Boissonnas und seiner
wohlhabenden Gattin Sylvie ein einzigartiges, homogenes architektonisches Ensemble Landschaft, Architektur und Interieur bilden eine Einheit
aus Beton, Holz und Naturstein, das sich der Topographie der alpinen Landschaft re-
spektvoll anpasst und dabei Übernachtungsmöglichkeiten für tausende Besucher bietet. Unvermittelt öffnet sich der Blick von der kurvigen Straße hinab in den geschützten Tal-
Für das von Anbeginn an komplett autofreie (!) Konglomerat aus Apartmentblöcken, Pen- kessel, in dem das Skiressort mit direktem Zugang zu einem weit verzweigten Netz von
sionen, Hotels, Restaurants, Shops, Konzert- und Kinosälen sowie einer Kapelle entwarf Pisten liegt. Kurz nach seiner Eröffnung schwärmte der deutsche Journalist Walter Pause
Marcel Breuer nicht nur sämtliche Gebäude samt Innenraumgestaltung. Auch zwei Lifte, im Jahr 1971 in einem Beitrag für die Wochenzeitung Die Zeit über das gefeierte neue Rei-
die die verschiedenen Level der Anlage miteinander verbinden, die Außenbeleuchtung, seziel für verwöhnte Wintersportler von der „unberührten, ideale Nord- und Nordwest-
Schriften und das komplexe Wegeleitsystem gehen auf sein Konto. Ein erster Bauab- pisten anbietenden Alpenlandschaft“, in die Flaine gebaut wurde: „In jenem weißen Kar-
schnitt wurde zwischen 1961 und 1968 realisiert, ein zweiter von 1974 bis 1976. Offiziell ree dieser stillen Skistation stehend, entdeckt man in einem Schwall von tiefer Genugtu-
eröffnet wurde das Ressort am 17. Januar 1969 und umfasste mittlerweile mehr als 12.000 ung, dass hier in Flaine Landschaft, Architektur und Interieur eine Einheit bilden. Groß-
Betten. Auf Initiative der Boissonnas, die Fans von klassischer Musik und Sammler von artig stille, raffiniert kühle Fassaden, souverän strukturiert, lebendiger Beton. Man
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