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Samira Agoropoulos                                           Mark Teucher


                                  2015–2020 B.A. Innenarchitektur, Burg Giebichenstein, Halle 2019 Planung  seit  2016 Bachelorstudium  Innenarchitektur,  Burg  Giebichenstein,
                                  Burg Werkschau Mode, Halle 2019–2020 Praktikum bei Gonzalez Haase,  Halle 2017 Praktikum bei Pöschmann-Panzer Architekten, Schlettau
                                  Berlin 2020–2021 M.A. Interior Architecture, Burg Giebichenstein, Halle  seit 2017 Wissenschaftliche Hilfskraft, Burg Giebichenstein, Halle




             ständige und voneinander unabhängige Parzellen. Für jedes dieser Baulose wurde eine
             eigene Innenarchitektur gesucht. Die Flächen sind zwischen 80 und 400 Quadratmeter
             groß und lassen einen tiefen Detaillierungsgrad des Innenkleides zu. Unser Arbeitsbe-
             reich umfasst das Baulos Nummer eins, also das untere Mittelschiff, sowie die zwei
             Schotten im Obergeschoss. Für dieses Baulos war ein Gartenrestaurant mit angrenzen-
             dem Mehrgenerationenwohnen ausgeschrieben, vorgesehen für die Familie, die das Gar-
             tenlokal betreibt. Das Mittel- und die Seitenschiffe im Erdgeschoss unseres Bauloses
             sowie die zwei Schotten im Obergeschoss werden durch sechs massive Bündungspfeiler
             dominiert. Zwischen ihnen spannen sich Bögen einer ehemaligen Empore. Das Erdge-
             schoss wird in der Höhe kurz über den Bögen durch den Bibliothekseinbau begrenzt,
             dessen Stützen symmetrisch im Raum platziert sind. Der voluminöse Raum darüber wird
             von einem Kreuzgratgewölbe überspannt und durch vier Spitzbogenfenster belichtet.
             Vom Beet direkt auf den Tisch: familiengeführtes Gartenrestaurant


             Ebenerdig und zentral im Mittelschiff des Kirchengebäudes liegt der Gastraum des fa-
             miliengeführten Gartenrestaurants. Dessen Küche basiert auf saisonalen, selbstange-
             bauten Produkten, die zum Teil in dem an das Seitenschiff grenzenden Garten gezogen
             werden. Vom Haupteingang der Kirche wird der Gast mit großer Geste von einer offe-
             nen Küche empfangen. Ein Einbau aus Streckmetall, der die Säulen und Bögen der
             ehemaligen Empore neuinterpretiert, trennt diese vom Gastraum. Hier ist eine große
             Tafel prominent im Raum positioniert, um die herum sich weitere Tische für unter-
             schiedliche Gruppengrößen anordnen. Intensive Lichtstudien in der Kirche und am Mo-
             dell zeigten, dass vor allem das Erdgeschoss wegen der Umgebungsbebauung und sehr
             kleinen Fenstern nicht ausreichend mit Tageslicht versorgt wird. Daher sieht unsere
             Planung vor, das Restaurant sowie die Wohneinheiten durch indirekte Strahler mit
             einer ausreichenden und angenehmen Grundbeleuchtung zu versehen. Außerdem soll
             ein Lichtkanal, der das Kirchengebäude vertikal durchdringt, geschossübergreifend un-
             terschiedliche Licht- und Raumsituationen erzeugen. Im Untergeschoss bildet sich die-
             ser als leuchtende Deckenöffnung aus, die Einblicke in den darüber liegenden Wohn-
             bereich gewährt, punktuelles Licht in den Gastraum leitet und somit die imposante  Wie auf einem Altar wird das Gemüse präsentiert. • Vegetables presented like on an altar
             Kirchenarchitektur in Szene setzt. Die funktionalen Räume sind in den Seitenschiffen
             angeordnet und fügen sich sensibel in den Bestand ein. Als Zugang für die Gäste sowie
             zur Anlieferung von Waren dient der nördliche Seiteneingang.   Eine Wohneinheit ergänzt das Restaurant Holy Table. • A residential unit complements the Holy Table restaurant.

             Mehrgenerationenwohnen in großzügigen Räumen unterm Gewölbe

             Das zweistöckige Obergeschoss im Mittelschiff wird über das zentrale Treppenhaus und
             einen Fahrstuhl erschlossen. Es bietet generationenübergreifend Platz für die fünfköpfige
             Familie, die das Restaurant im Erdgeschoss betreibt. Der Entwurf fasst die funktionalen
             Räume kompakt zusammen, sodass die gemeinschaftlich genutzte Fläche an Großzügig-
             keit gewinnt und eine luftige Raumsituation mit viel Licht und spannenden Blickbezie-
             hungen entsteht. Im barrierearmen ersten Obergeschoss ist eine autarke Wohnung, zum
             Beispiel für die Großeltern der Familie, untergebracht sowie der zentrale Familienraum
             mit Blick auf das Gewölbe. Hier wird gelebt, gekocht, gegessen, und außerdem werden
             Vorbereitungen für den Restaurantbetrieb getroffen. Im zweiten Obergeschoss befinden
             sich die Schlaf- und Kinderzimmer sowie eine Empore, die eine großzügige Belichtung
             durch die seitlichen Kirchenfenster erfährt. Die Zusammengehörigkeit von Restaurant und
             Wohnung wird über ein einheitliches Materialkonzept greifbar, wie zum Beispiel die mo-
             nolithischen Küchenzeilen aus Edelstahl, die das Herz der jeweiligen Einheit bilden und
             eine moderne Interpretation von klassischen Groß- und Industrieküchen darstellen. Na-
             türliche, helle und matte Materialien bilden eine harmonische Symbiose mit den glatten,
             artifiziellen und reflektierenden Metalloberflächen. Das Konzept beruht auf klaren und
             sanften Tönen – die farbintensiven Speisen und das Gemüse aus dem Garten dominieren
             den Raum. Somit verlagert sich der Fokus von der Innenarchitektur auf das Gericht.

                                                                                                                          AIT 1/2.2022  •  037
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