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Silvia Grossinger
1985 in Zwettl geboren 2007 Diplomabschluss Kunst, Wiener Kunstschule
2011 Bachelorabschluss Architektur, HCU Hamburg 2014 Masterabschluss
Architektur, TU Berlin seit 2014 Partner und Partner Architekten, Berlin
Verbessertes Arbeitsklima durch gesunde Oberflächenmaterialien • Improved working climate, healthy surfaces Die Gebäudestruktur erlaubt eine flexible Anpassung. • The building structure allows for flexible adaptation.
von • by Silvia Grossinger, Berlin
A lles begann damit, dass die Auftraggeber das von uns entworfene Informationszen- kompakt gestaltet. Ein einfaches und klares Tragwerk aus Massivholz wurde gewählt
trum Marzahn-Hellersdorf in Berlin besichtigten. Die Erfahrung mit diesem Holz-
und auf ein Untergeschoss bewusst verzichtet. Das würfelartige Volumen mit den
gebäude inspirierte die Kostner GmbH dazu, Partner und Partner Architekten mit der Maßen 17 mal 17 mal 17 Meter reduziert Energieverluste. So entstand das erste fünfge-
Gestaltung ihres neuen Headquarters zu beauftragen. Verschiedene Geschäftsfelder des schossige Bürogebäude aus Holz in Südtirol. Selbst den Aufzugschacht planten wir aus
Unternehmens, die bisher an unterschiedlichen Standorten angesiedelt waren, sollten Massivholz. Die Bodenplatte besteht aus Recycling-Beton und wurde anstelle von XPS
in einem einzigen Gebäude vereint werden. Ein weiterer zentraler Aspekt des Projekts mit dem Recyclingprodukt Glasschaumschotter gedämmt. Holz wirkt sich positiv auf
war die Einbeziehung aller Mitarbeiter in Form eines partizipativen Planungsprozesses. das Raumklima aus, besitzt eine antibakterielle Wirkung und reguliert Feuchtigkeit.
Es wurde angestrebt, nicht nur die Arbeitsmethoden zu optimieren und in die Zukunft zu Zudem speichert es sogar im eingebauten Zustand CO . In diesem Projekt konnten
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blicken, sondern auch neue Bürostandards zu etablieren. Eine wichtige Frage war, wie bereits 500 Tonnen CO gebunden werden. Zum Vergleich: Die jährliche CO -Emission
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es gelingen würde, die Kommunikation zwischen den verschiedenen Abteilungen zu för- pro Kopf in Deutschland beträgt rund acht Tonnen.
dern. Wer heute durch das fertiggestellte Gebäude geht, kann die Antwort erleben! Eine
zentrale Freitreppe mit überkreuzenden Treppenläufen verbindet die einzelnen Geschos- Ästhetischer Verschnitt, karbonisiertes Holz und Kletterpflanzen
se und schafft unterschiedliche Sichtbeziehungen und Begegnungsräume. Das Foyer im
Erdgeschoss erstreckt sich über einen Luftraum im 1. Obergeschoss und dient als Anlauf- Aus dem Verschnitt der Brettsperrholzwände wurden hochwertige Türblätter hergestellt.
punkt für Besucher und der Präsentation von Forschungsergebnissen. Im 2. Obergeschoss Dieses Vorhaben erforderte eine hohe Koordination und Detailplanung, aber auch eine
wurde ein offener Aufenthaltsraum mit Teeküche für die Mitarbeiter geschaffen, während gewisse Offenheit und Experimentierfreudigkeit der Tischler und Zimmerer. Holz bildet
sich im obersten Geschoss eine großflächige Gemeinschaftsküche für interne und externe auch das bestimmende Element für die Gebäudehülle: Tannenholz wurde in einem tra-
Veranstaltungen mit einer geräumigen Dachterrasse befindet. ditionellen Verfahren verkohlt und ist so widerstandsfähiger gegen Witterung und Schäd-
linge. Im Kontrast dazu steht die Fassadenbegrünung, die außerdem als Sonnenschutz
Soziale Aspekte und der ökologische Fußabdruck dient. Um ausreichend Verschattung gewährleisten zu können, ist es notwendig, dass die
Pflanzen geschossweise hochwachsen können. Eine hydrophonische Anlage ermöglicht
Die Verbindung des Gebäudes mit einer angrenzenden Bestandshalle garantiert kurze die direkte Befestigung der Pflanzkästen an der Fassade. Ein weiterer Vorteil der Pflanzen
Wege und erleichtert die Interaktion. Um dem kontinuierlichen Wachstum des Betriebs ist, dass sie im Winter ihre Blätter verlieren und so die Sonnenstrahlung ins Gebäude
gerecht zu werden, wurden in verschiedenen Zonen Trennungen im Bodenaufbau und lassen – auch deshalb entschieden wir uns für regionale Pflanzen. Je nach Niederschlags-
den Wänden vorgesehen. So gelingt es nachträglich Bürotrennwände einzuziehen – und menge werden sie durch ein automatisches wartungsarmes Bewässerungssystem mit
zwar ohne den Schallschutz einzubüßen. Auch Beleuchtung, Heizung und Belüftung wur- Nährstoffen versorgt. Auch im Innenraum schaffen die natürlichen Materialien eine ange-
den von Anfang an flexibel konzipiert, um den Nutzern die Freiheit zu geben, Großraum- nehme Atmosphäre. Massivholzwände wurden holzsichtig belassen und lediglich mit
büros in kleinere Einheiten zu unterteilen, ohne technische Anpassungen vornehmen zu einer atmungsaktiven Lasur behandelt. Nichttragende Innenwände erhielten Lehmputz,
müssen. Aufgrund der Lage des Gebäudes – das sich zwischen einem Industriegebiet, der die Luftfeuchtigkeit bei durchschnittlich 50 Prozent hält und Schadstoffe absorbiert.
einer Schnellstraße und einem Betonwerk befindet –, arbeiteten wir ein besonderes Ener- Er stellt eine hochwertige Oberfläche dar, die bei etwaigen Schäden einfach zu reparieren
giekonzept aus. Die erhöhte Lärm- und Staubbelastung machten eine natürliche Be- und ist. Der Boden in den Obergeschossen wurde als Trockenestrich gefertigt, der aus Well-
Entlüftung unmöglich. Eine Luft-Wasser-Wärmepumpe mit Wärmerückgewinnung, ein pappe und verdichtetem Quarzsand besteht. Dies ermöglicht eine sortenreine Trennbar-
Lüftungsgerät, eine PV-Anlage sowie Heiz- und Kühldeckensegel bilden eine effiziente keit und erleichtert – im Vergleich zu Zementestrich – eine umweltfreundliche Entsorgung
Lösung. Zur Reduzierung des ökologischen Fußabdrucks, wurde das Gebäude bewusst am Ende der Nutzung. Der Belag des Trockenestrichs wurde mit Linoleum gestaltet.
AIT 10.2023 • 143