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WOHNEN • LIVING

































            JUGENDSTILVILLA

            IN LÜNEBURG



            Entwurf • Design Formwænde, Lüneburg


            Vor 20 Jahren gründete Florian Kienast das Planungsbüro Form-
            wænde in Lüneburg. Vor fast ebenso langer Zeit kam der erste Auf-
            trag zur Teilsanierung einer Jugendstilvilla, deren schrittweise Erneue-
            rung den gelernten Tischler und sein Team für viele Jahre begleiten
            sollte. In vier Bauabschnitten haben sie das ehrwürdige Haus mit
            funktionalen Maßeinbauten immer weiter ins Zeitgemäße übersetzt.



            von • by Kira Sophie Kawohl
            L  iebevoll beschreibt Formwænde das Projekt schon als „Dauerbaustelle der beson-
               deren Art“. Denn der Umbau der noblen Jugendstilvilla am südlichen Stadtrand von
            Lüneburg beschäftigt das interdisziplinäre Team nun schon seit fast 15 Jahren. In bisher
            vier Bauabschnitten haben die Planerinnen und Planer rund um Geschäftsführer Florian
            Kienast das großzügige Wohnhaus einer norddeutschen Unternehmerfamilie sukzessive
            umgebaut; angefangen bei der umfassenden Erneuerung der Badezimmer im Jahr 2008.
            Ab 2018 folgte die Umstrukturierung und Sanierung des Erdgeschosses, wobei Küche
            und Büro die Plätze tauschten und hochpräzise gefertigte Maßeinbauten erhielten. An
            drei Seiten wird das Arbeitszimmer seither von einer feinen Schrankwand aus blaugrün
            lackiertem Holz mit Elementen aus Nussbaum, heller Leinenstoff-Bespannung und gol-
            denen Knöpfen umfasst – und kommt dadurch so intim, funktional und doch klassisch
            daher wie eine gut ausgebaute Kapitänskajüte auf einem eleganten Großsegler. Derart
            schicke, aber praktikable Raumlösungen wünschte man sich auch für die Umgestaltung
            der zwei ehemaligen Kinderzimmer zu zwei Gästezimmern im Obergeschoss, die 2021
            abgeschlossen werden konnte. In diesem Zuge organisierte das Team von Formwænde
            den südlich gelegenen, breiten Raum von geringer Tiefe über eine Funktionswand mit
            gebogener Vorsatzschale aus Eichenholz, die auf der gegenüberliegenden Seite eines
            langen Fensterbands Platz fand. Der im Norden angrenzende Raum, der vor dem
            Umbau lang und schmal war, ist nun durch einen ebenfalls mit Eichenholz und Leinen-
            stoff verkleideten Durchgang in zwei annähernd quadratische Kammern gegliedert, von
            denen die vordere als Schlaf- und Arbeitszimmer mit kleinem Schreibtisch, die hintere
            als Ankleide mit großzügigem Einbauschrank dient. Mit viel möbelbaulicher Expertise
            und einem zeitlos-klassischen Materialkanon aus hellem Wollteppich, Eichenholz und
            Korbgeflecht haben die Planerinnen und Planer hier die funktionalen Anforderungen
            mit den bestehenden räumlichen Gegebenheiten verbunden und dem bürgerlich-eta-
            blierten Altbau ein lockeres, zeitgemäßes und gut funktionierendes Update verpasst.

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