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BANKEN UND BEHÖRDEN • BANKS AND AUTHORITY BUILDINGS
BÜRGERAMT
IN DARMSTADT
Entwurf • Design carsten gerhards architekten, Berlin
Ämter und Behörden benötigen Wartehallen, Flure und Schalter-
räume. Dass ein Amtshaus auch mehr sein kann als eine Aneinander-
reihung beklemmender Schwellenräume, zeigt Carsten Gerhards. Im
vom Strukturwandel betroffenen Darmstädter Einkaufszentrum Lui-
sencenter wurde ein neues Bürger- und Ordnungsamt eingerichtet,
das als „urbanes Wohnzimmer“ für mehr Bürgerbeteiligung sorgt.
von • by Simon Fiedler, München
B ei den Darmstädter Behörden gab es zuletzt vermehrt Anlass zur Kritik, und der neue
Standort bringt zahlreiche Chancen zur Verbesserung mit sich. Dass aber gleichzeitig
einer angeschlagenen Shopping Mall neues Leben eingehaucht werden kann, macht das
Projekt zu etwas Besonderem! Lange stand der ehemalige Kongresssaal im zweiten und
dritten Obergeschoss des Luisencenters leer und beherbergte zuletzt ebenfalls Verkaufs-
räume. Er wurde dann im Rahmen eines Seminars an der Hochschule Darmstadt für die
städtischen Räumlichkeiten als passend erkannt, vor allem aufgrund der zentralen Lage.
Seit Februar ist das neue Amtshaus nun sowohl über die Rolltreppen des Einkaufszen-
trums als auch (konsumfrei) über Treppenhäuser und einen neuen Außenaufzug zugäng-
lich. In optimierte Abläufe, einfache Orientierung und die Zusatznutzung des zentralen
Wartebereichs für Veranstaltungen ist dabei viel Arbeit geflossen. Bestehende Lufträume
des alten Saales mussten teilweise geschlossen werden, und mit der Glasfront zum Lui-
senplatz und den dahinterliegenden Strukturen galt es respektvoll umzugehen, da der
Fassadenabschnitt als Teil des Platzes unter Denkmalschutz steht. Der Entwurf für den
zentralen Raum des Bürgeramts orientiert sich am theoretischen Vorbild des „Darmstäd-
ter Zimmers“ von Joseph Maria Olbricht. Dementsprechend wurden Atmosphäre, Orna-
mentik und Akustik vollständig in die Planung integriert: Parkett, eigens entworfene Holz-
möbel und rote Vorhänge wirken warm und einladend, die kälteren Farbtöne der Polster,
Teppiche und Teeküchen führen zu einer ausgewogenen Gesamtmischung. Die Kalt-
Warm-Balance kann zusätzlich durch die LED-Beleuchtung der Wandverkleidung dem
Charakter der jeweiligen Veranstaltung angepasst werden – bei Bedarf lässt sich die Licht-
temperatur des „Pixelbildes“ von kalt auf warm schalten. Auch die Lüftung und alle In-
stallationen finden hinter den am Modell entwickelten Modulen aus weiß lackiertem
MDF ihren Platz. Raumseitig streut das Pixelmuster den Schall, wodurch der kleine Saal
für Veranstaltungen, beispielsweise zur Bürgerbeteiligung, bestens geeignet ist. Es bleibt
zu hoffen, dass die Anliegen mittels exzellenter Raumakustik auf offene Ohren stoßen.
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