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SERIEN PERSPEKTIVWECHSEL • CHANGE OF PERSPECTIVE
r Die städtische Nachverdichtung als Mittel zur Wohnraumbeschaffung bringt eine
größere Bevölkerungsdichte mit sich. Sie bieten auch Hundetrainings für „Großstadt-
hunde“ an. Was lernen die Fellnasen und ihre BesitzerInnen dabei?
Für Hunde ist das Leben in einer Großstadt eine echte Herausforderung. Wir erwarten,
dass sie all unsere Alltagsaktivitäten mitmachen: morgens ins Büro, mittags ins Café,
abends durch den Stadtverkehr nach Hause mit U-Bahn oder Auto und vielleicht noch
einen kurzen Schwenk zum Supermarkt, wo der Hund alleine draußen warten soll. Viele
Hunde machen das mit, aber es ist unglaublich viel, was wir da erwarten. Was möglich
ist, hängt stark vom Charakter, der Genetik und der Vorgeschichte des Hundes ab. In
München gibt es viele Tierschutzhunde, die aus ländlichen Umgebungen oder Sheltern
kommen und nun im Großstadtgetümmel gelandet sind. Aber nicht nur Tierschutzhunde,
sondern auch Welpen und Junghunde müssen langsam an die städtischen Gegebenhei-
ten herangeführt werden. In meinem Training „Großstadthunde“ ist eine der ersten Übun-
gen das Beobachten. Wir setzen uns hin, die Hunde bekommen etwas zu kauen und
können die Eindrücke verarbeiten. Dabei erläutere ich die Körpersprache des Hundes
und gebe Tipps, wie man beruhigend auf seinen Hund einwirken kann und den Alltag so
gestaltet, dass der Hund die nötigen „Auftankstellen“ bekommt. Wir machen Straßentrai-
nings, damit der Hund sicher im Verkehr ist und der Halter das richtige Leinenhandling
lernt. Wir fahren mit dem Aufzug zum U-Bahnsteig und bleiben dort, um dem Hund Zeit
zu geben, sich an die Situation zu gewöhnen. In Biergärten und Cafés lernt der Hund,
ruhig auf seiner Decke zu liegen und nicht gleich den Kellner zu vertreiben, nur weil
dieser die Bestellung aufnehmen möchte. Ich gebe Tipps, wie man Ruhe und Rituale in
den hektischen Alltag integriert. Rituale helfen dem Hund, mit Reizen besser umzugehen.
r bellobravo! bietet darüber hinaus ein breites Spektrum an Kursen an. Welche Kom-
petenzen erlernen Herrchen, Frauchen und ihre Vierbeiner noch bei Ihnen?
Verständnis für den eigenen Hund ist mir persönlich das Wichtigste. Hunde machen nie
etwas, um ihre Menschen zu ärgern, sondern stecken oft in einem Konflikt. Es ist wichtig,
dass Menschen darauf mit Ruhe und Besonnenheit reagieren. Zudem sollte man manche
Dinge nicht zu ernst nehmen und gerade bei Junghunden auch mal lächeln und die
Situation mit Humor sehen. Ein ganzheitlicher Blick ist mir ebenfalls wichtig. Wenn ein
Hund aggressiv ist, frage ich immer: Warum? Hat er Angst? Frust? Schmerzen? Hatte er zu
viel Trubel am Tag, keine Ruhe oder zu viele Stresshormone? Welches Futter bekommt
er? Mir ist ein systemischer Ansatz und eine umfassende Betrachtung wichtig, und diese
Kompetenz vermittle ich meinen Kunden. Last but not least geht es natürlich auch um
alle Erziehungstools und Kommandos, die dazu beitragen, sich gemeinsam sicher und
entspannt im Alltag zu bewegen.
r Einfamilienhäuser zählen zu den häufigsten Bauaufgaben von ArchitektInnen. Die
Hundehütte – passend zum Haus – ist als Entwurfsaufgabe noch weitgehend unent-
Individuelle Übungen im öffentlichen Raum ... • Individual exercises in public spaces ... deckt. Frank Lloyd Wright entwarf 1956 immerhin mal ein „dog house“. Im Tiny House
für Hunde steckt doch gewiss noch gestalterisches Potenzial…
... und im privaten, familiären Umfeld • ... and in a private, family environment Definitiv. Für unsere Hündin haben wir tatsächlich eine kleine Hütte. Diese ähnelt aller-
dings eher einem Sitzhocker mit einer gepolsterten Oberfläche, falls sie es bevorzugt, auf
ihrer „Dachterrasse“ zu liegen. Unten hat diese eine allseitig gedämmte Höhle, in die sich
sich Molly zurückziehen kann. Diese bietet auch akustischen Schutz. Natürlich gab es
Überlegungen, diese „Hütte“ als Produkt anzubieten. Weiterverfolgt habe ich das bisher
aber nicht. Sollten Produzenten dies hier lesen, dürfen sie sich gerne melden …
r Welche Voraussetzungen sollten Interessenten mitbringen, die ebenfalls als Hunde-
trainerIn arbeiten wollen? Und welche Kompetenzen aus Ihrem früheren Berufsleben
als Innenarchitektin kommen Ihnen definitiv zugute?
Im Hundetraining ist Empathie entscheidend. Man muss sich ständig auf neue Mensch-
Hund-Teams einstellen, deren individuellen Alltag und deren Ziele berücksichtigen – ähn-
lich wie in der Innenarchitektur. Es bringt nichts, nach Schema F zu trainieren. Das Trai-
ning muss zu den jeweiligen Personen und ihrem Alltag passen. Dafür ist es wichtig, gut
zuzuhören, die Probleme und Wünsche zu verstehen sowie Situationen genau zu beob-
achten und zu analysieren. Schließlich sollte man alles ruhig, strukturiert und einfühlsam
erklären und dabei die Motivation von Mensch und Hund hochhalten. Körperlich sollte
man gut zu Fuß sein und es lieben, bei Wind und Wetter draußen zu sein, viel zu reden
und im Mittelpunkt zu stehen. Dank meiner gestalterischen Fähigkeiten habe ich mein
Corporate Design komplett selbst entwickelt. Es spart natürlich Geld, wenn man Logo,
Webseite, Flyer und mehr selbst erstellen kann, besonders bei der Firmengründung.
054 • AIT 10.2024