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WOHNEN • LIVING
WOHNHAUS AN DER
CHINESISCHEN MAUER
Entwurf • Design MDDM Studio, CN-Peking
Eine italienisch-deutsche Koproduktion im Reich der Mitte: MDDM
Studio verwirklichten auf einem Hanggrundstück unweit der Chine-
sischen Mauer ein Wohnhaus, das – als Umbau eines unterirdischen
Obstbaumspeichers – mit einer raffinierten Raumaufteilung auf die
Gegebenheiten des Hanges und des Bestandes reagiert, ohne dabei
auf großzügige und lichtdurchflutete Innenräume zu verzichten.
von • by Jan Neflin
W er an moderne chinesische Architektur denkt, dem kommen wahrscheinlich
zuerst die aktuellen Megabauten der großen Metropolregionen des Milliar-
denlandes in den Sinn. Ob CCTV Headquarters, Shanghai Tower oder Beijing Inter-
national Airport – gemein ist diesen Projekten vor allem die vollständige Missachtung
jeglichen Maßstabs und Kontextes! Dass China jedoch auch kleinere, zeitgenössische
Architektur zu bieten hat, beweist unter anderem das neueste Projekt der Architekten
von MDDM Studio. Das italienisch-deutsche Büro mit Sitz in Peking beschäftigte sich
hierfür mit einem Grundstück nördlich der Stadt, das durch seine Hanglage mit
Nord-Süd-Ausrichtung und die bereits vorhandene Bebauung eine spannende Auf-
gabe darstellte. Vom Bestand – einem unterirdischen Speicher für Obstbäume mit
einer Grundfläche von 21 mal 11 Metern – sollten nur die Natursteinwände erhalten
bleiben. Zusätzlich wurde an der Nordseite des Gebäudes Erde abgetragen, um eine
Terrasse anzulegen, die mit dem offen gestalteten Wohn- und Essbereich auch im In-
nenraum ihre Fortsetzung findet. Dieser zentrale Aufenthaltsraum wird mithilfe einer
großflächigen Glaswand Richtung Norden und einem Innenhof Richtung Osten mit
genügend Tageslicht versorgt, während er nach Westen hin von einer in das Gebäude
eingeschobenen, holzverkleideten Garagen-Box begrenzt ist. Von hier aus werden
auch die Schlafzimmer erschlossen, die zur Südwand des Bestands orientiert sind.
Um die in den Hang eingegrabenen Zimmer ausreichend zu belichten, ließen sich
die Architekten einen besonderen Clou einfallen: Das bestehende Dach wurde durch
zwei in der Höhe verspringende, begrünte Betondächer ersetzt, welche aufgrund
ihrer terrassenartigen Abstufung einen natürlichen Lichteinfall in die Gebäudemitte
ermöglichen. Dank dieser smarten Lösung – durch die sich das Gebäu de reibungslos
in die Hanglage einfügt – entfalten die Räume mit ihren hohen Decken und der indi-
rekten, natürlichen Belichtung einen atmosphärischen Raumeindruck, der sich je
nach Tageszeit und Sonneneinstrahlung dynamisch verändert.
118 • AIT 7/8.2019