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Titel: Rittersaal Schloss Gracht. Büro: 100% interior Sylvia Leydecker, Innenarchitektin bdia, Köln. Alle Projektfotos: Karin Hessmann. Portrait: Reinhard Rosendahl. Portrait P. A. Döll: Oliver Schiebener



                        Die  psychiatrische  Spezialklinik  für  mo-  ses ein und bewahrt seinen Charme. Die  Insgesamt ist hier durch den Umgang mit
                        derne Psychotherapie und Psychosomatik  Materialien  sorgen  mit  ihren  haptischen  dem historischen Denkmal, dem Respekt
                        in Erftstadt/Liblar bei Köln ist vom Konzept  Qualitäten subtil für wohnliche Atmosphäre  vor seiner Vergangenheit und der Integra-
                        der Präsenztherapie geprägt. Das Innenar-  und unterstützen die Präsenztherapie, die  tion moderner zeitgemäßer Komponenten
                        chitekturbüro 100% interior Sylvia Leyde-  auf Nähe aufbaut, durch dezent texturierte  eine   Atmosphäre   entstanden,   die
                        cker  wurde  für  dieses  Projekt  mit  Web-  und  Leinenstrukturen,  Samt,  ge-  Patient*innen hilft, wichtiges Körpergefühl
                        verschiedenen Awards ausgezeichnet: mit  schliffenes Holz oder auch Messing-Inlays.  und emotionales Erleben zu schaffen. Das
                        dem  OPAL  (Outstanding  Property Award  Sparsam dosierte farbige Akzente schaffen  Schloss kommt voll zur Geltung, die Gestal-
                        London) und in den USA als Winner des IIDA  Nähe und vermitteln das Gefühl von Gebor-  tung und unterstreicht den Charme der Im-
                        Global  Excellence Award  und  als  Best  of  genheit. Die auf Schloss Gracht praktizierte  mobilie,  Patient*innen  finden  hier  den
                        Competition des IIDA Healthcare.     Präsenztherapie beginnt bereits am Emp-  gewünschten Schutz und Geborgenheit um
                                                             fang, wo auf einen Tresen mit emotionalem  in Ruhe zu gesunden.
                        Die  Klinik  verfügt  über  rund  80  Plätze,  Barrierecharakter verzichtet wird und statt-
                        wobei die Patient*innen in hellen 1-Bett-  dessen Offenheit den kleinen überschauba-
                        bzw. 2-Bett-Zimmern komfortabel unterge-  ren Raum prägt, der Geborgenheit gleich zu
                        bracht sind. Großzügige Lounges, Therapie-  Beginn ausstrahlt.
                        räume, das Restaurant und die umgebende
                        Natur ergänzen den Aufenthalt.       Rittersaal und „Sushizimmer“

                        Der Bettentrakt wurde komplett saniert,  Das  evidenzbasierte  therapeutisch  wirk-
                        andere Räume modernisiert und renoviert.  same zirkadiane Licht fördert die Therapie
                        In Absprache mit der Denkmalpflege wurde  indem es den Patienten bei ihrem Tagesab-
                        vieles erhalten, behutsam und sensibel in-  lauf mit seiner Struktur durch künstliches
                        tegriert: Massivholzböden und Putzoberflä-  Licht unterstützt, das den Tageslichtverlauf
                        chen genauso wie der Stucco Lustro, die  in seiner Helligkeit künstlich abbildet und
                        prachtvollen  Kristalllüster,  voluminöse  sich in sämtlichen Patientenzimmern und
                        Samtvorhänge oder die historischen Thonet  im  Restaurant  findet.  Genauso  wie  das
                        Barhocker  aus  Bugholz  mit  schönen  De-  Licht integrieren sich die weiteren, aber un-
                        tails.                               verzichtbaren   gesundheitsspezifischen
                                                             Funktionalitäten absolut unauffällig.
                        Natürliche Unaufgeregtheit
                                                             Der imposante Rittersaal funktioniert nun
                        Wo Neues auftaucht, besitzt es Qualität,  als großzügige Tageslounge für die Patien-
                        die auf lange Lebensdauer setzt und sich,  ten,  während  smaragdgrüne  Samtvor-
                        langfristig betrachtet, reparieren und auf-  hänge  den  Blick  in  den  Schlosspark
                        arbeiten lässt: Holz, mit fein geschliffener  einrahmen.  Inspiration  ganz  anderer  Art
                        Oberfläche, gewebte Stoffe und ihre Verar-  bietet  die  extravagante  Vestibül-Tages-
                        beitung bester Qualität, echtes Leder, auf-  lounge mit überraschender Farbe und Gra-
                        gelegte Teppiche, Teppichfliesen, Messing  fik im „Sushizimmer“.
                        und Polster – der Manufakturgedanke war
                        omnipräsent. Denkmalgerecht mit Respekt  Materialien entfalten in der Nähe zum Pa-



                        vor  der  Vergangenheit,  aber  gleichzeitig  tienten ihre subtile Wirkung durch die aus-

                        auch modern und zeitgemäß, die Nachhal-  gewogene  Balance  der  differenzierten
                        tigkeit im Blick.                    Oberflächen und last but not least auch
                                                             ihrer Farbigkeit. Die haptisch-taktile Un-
                        Die entstandene Atmosphäre ist von ange-  terscheidung von Materialien wie Holz, Me-  Sylvia Leydecker, Innenarchitektin bdia AKG
                        nehmer   natürlicher   Unaufgeregtheit,  tall und Samt regt die Sinne an und wirkt  Büro: 100% interior, Köln
                        strahlt Ruhe aus, wirkt entspannt und be-  damit therapeutisch. Das Materialkonzept
                        ruhigend auf die Psyche der Patient*innen.  wird sowohl von historischen als auch mo-  Die Innenarchitektin und frühere Vizepräsidentin des
                        Sie fügt sich, ohne aufdringlich zu sein, in  dernen Materialien wie gelasertem Metall  bdia gilt als führend im Bereich Healthcare, ist Au-
                                                                                                 torin verschiedener Fachbücher und hat in Wiesba-
                        das gesamte Erscheinungsbild des Schlos-  geprägt.                       den und Jakarta Innenarchitektur studiert.
                                                                                                                          AIT 6.2021  • 131
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