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Karin Schmidt-Friderichs
             Foto: Gaby Gerster, feinkron  1960 geboren 1980–90 Architekturstudium Uni Stuttgart und Geburt der zwei Töchter, danach Architektin ab 10/1992 Aufbau Verlag Hermann Schmidt mit Ehemann Bertram 2003–2011 Vorsitzende

                                  Berufsbildungsausschuss des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels 2014 Verdienstorden des Landes Rheinland-Pfalz und 2018 Antiquaria-Preis, jeweils mit B. Schmidt-Friderichs 2011–2016
                                  Vorstandsvorsitzende Stiftung Buchkunst 03/2018-Mitte 2019 stellv. Sprecherin Literaturkonferenz im Deutschen Kulturrat seit 10/2019 Vorsteherin Börsenverein des Deutschen Buchhandels






























             Seit der Verlagsgründung im Jahr 1992 erscheinen jährlich 20 Neupublikationen. Dies ist eine kleine ...  ... Auswahl der 2021 publizierten und von Karin Schmidt-Friderichs persönlich lektorierten Werke.



             Im Oktober kann der Verlag Hermann Schmidt seinen 30. Geburtstag  Druckerei erfolgreich eingesetzt wurden. Die Bücher, die so entstanden, wurden vielfach
             feiern! Die Architektin Karin Schmidt-Friderichs hat den kleinen,  ausgezeichnet und zunehmend weit über die Region und die Landesgrenzen hinaus be-
             feinen Mainzer Fachverlag gemeinsam mit ihrem Mann, dem Typogra-  achtet. Ich erlebte ihn nie so glücklich, wie wenn er an diesen Projekten arbeitete, und
             fen Bertram Schmidt-Friderichs, mit Herz, Energie und Sachverstand  schlug vor, daraus ein zweites Standbein zu machen, mit mir als Vertriebsmotor. Ich
             für hochwertige Druckwerke rund um die Themen Typografie und  wollte lieber in einem neuen Feld voll Energie durchstarten als in der geliebten Archi-
             Grafik aufgebaut. Die erfolgreiche Geschäftsfrau ist außerdem Vorste-  tektur das Gefühl zu haben, auf der Stelle zu treten.
             herin des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels. Wie gelang ihr
             dieser erfolgreiche Wechsel von der Bau- in die Buchbranche?  r Wie haben Sie diesen Schritt gemeistert? Woher nahmen Sie Ihre Motivation, und
                                                                           welche persönlichen Eigenschaften haben Ihnen dabei am meisten geholfen?
             In October, the Hermann Schmidt publisher will be able to celebrate  Vermutlich habe ich schon im Elternhaus das Denken in Chancen gelernt. Ich glaubte
             its 30th anniversary! Together with her husband, the typographer  nie – und glaube das auch heute mit 61 Jahren nicht –, dass man irgendwann fertig ist
             Bertram Schmidt-Friderichs, the architect Karin Schmidt-Friderichs  mit Lernen und der eigenen Entwicklung. Und ich glaube daran, dass man so viel schaf-
             has established the small but fine specialist publisher in Mainz with  fen kann, wie man sich zutraut, wenn man die kühnen Pläne mit solider Weiterbildung
             expertise for high-quality works focussed on typography and gra-  untermauert. Ich mag es, mich neuen Herausforderungen zu stellen, ich empfinde das
             phics. In addition, the successful businesswoman is the head of the  als Wachstumschance. Und vielleicht ist „scheitern“ in meinem Kopf auch nicht als
             Börsenverein des Deutschen Buchhandels. How did she manage    „das sichere Ende“ abgespeichert, sodass nicht immer ein Damoklesschwert über allen
              this successful change from architecture to the book sector?  Träumen hängt.

                                                                           r Parallel zu Ihrer Selbstständigkeit waren Sie Mutter zweier Töchter. Wie haben
                                                                           Sie die familiäre und berufliche Herausforderung parallel bewältigt? Wie viel Zeit
             r Frau Schmidt-Friderichs, Sie haben Architektur studiert, das Metier gewechselt  verlangte Ihnen Ihre Selbstständigkeit ab, zumal in der Gründungsphase, und wie
             und sich gemeinsam mit Ihrem Mann selbstständig gemacht als Verlegerin. Was hat  sah die Aufgabenteilung mit Ihrem Mann aus?
              Sie zu diesem Berufswechsel bewogen?                         Durch meine Töchter habe ich eine radikale Selbstorganisation gelernt. Und noch etwas
              Ich war begeisterte und engagierte Architekturstudentin in Stuttgart, einem Umfeld, in  habe ich unbewusst durch sie gelernt: Es gibt nicht das Leben auf der einen und die Ar-
             dem in den 1980er- und 1990er-Jahren renommierte alteingesessene Architekturbüros  beit auf der anderen Seite. Work-Life-Balance führt uns meiner Meinung nach auf einen
             boomten und neue Senkrechtstarter Fahrt aufnahmen. Ich war junge Mutter, verheira-  falschen Pfad. Die Frage ist doch vielmehr: Wie bekomme ich die Facetten meines We-
             tet und hatte dennoch nicht den geringsten Zweifel daran, es in der Architektur zu  sens am besten unter einen Hut? Und ist die Arbeit die richtige? Erfüllt sie mich? Ist sie
             einem gewissen Erfolg schaffen zu können. Dann übernahm mein Mann in Mainz eine  es wert, dass ich mich noch mal hinsetze, wenn die Kinder im Bett sind? Sie war es mir
             mittelständische Druckerei, ich zog nach, machte mein Diplom als zwischen Mainz und  wert. Der Verlag lag mir sehr am Herzen. Meine FreundInnen sprachen davon, der Ver-
             Stuttgart pendelnde, die Erziehungsarbeit eher alleine stemmende Mutter – und lernte  lag sei für mich so etwas wie ein drittes Kind. Wenn man gern tut, was man tut, dann
             dann, dass ich in Mainz kein Netzwerk hatte, das meine Leistungsfähigkeit einzuschät-  gibt das auch Energie. Dennoch muss ich im Nachhinein zugeben, dass ich über Phasen
             zen wusste – und dass Mainz viel weniger Chancen für junge Architektinnen bot. Mein  ziemlichen Raubbau an mir selbst betrieben habe. Ich hätte mir ein gleichberechtigte-
             Mann ersann unmögliche Druck-Herausforderungen als Training on the Job für seine  res und auch „gleichverpflichtenderes“ Verhältnis mit meinem Mann gewünscht. Er be-
             Mitarbeiter, die dann eben doch möglich gemacht wurden und als Außendienst der  reut heute, dass er dazu damals nicht in der Lage war.

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