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VERKAUF UND PRÄSENTATION • RETAIL AND PRESENTATION
PACHERHOFER WEINKELLER
IN NEUSTIFT/VAHRN
Entwurf • Design Bergmeisterwolf Architekten, IT-Brixen
Um das historische Erbe und die aktuellen Anforderungen des Win-
zerbetriebs der Familie Huber in Einklang zu bringen, verlegten die
Architekten von Bergmeisterwolf die neue Produktionsanlage ins
Erdreich. Unterirdisch treffen hier jahrhundertealte Gebäudestruk-
turen auf zeitgemäße Interieur-Gestaltung, während oberhalb der
Grasnarbe — frei nach dem Eisberg-Prinzip — lediglich ein kleiner,
aber selbstbewusst aufragender Bruchteil des Neubaus zu sehen ist.
von • by Henriette Sofia Steuer
N och bevor Friedrich Barbarossa zum römisch-deutschen Kaiser aufstieg, wurde
auf dem Pacherhof bereits Wein angebaut. Die Familie Huber (ehemals Pacher)
bewirtschaftet seit mehr als 800 Jahren durchgängig das Weingut im Eisacktal bei Bri-
xen. Zeugnis der weitreichenden Familien- und Winzertradition ist der denkmalge-
schützte Hof aus dem 11. Jahrhundert, der immer wieder durch neue Gebäudestruktu-
ren erweitert wurde. Heute führt die Familie zusätzlich einen Hotelbetrieb und vereint
auf dem Hofgelände Tourismus, Gastronomie, Veranstaltungen und Winzerbetrieb
samt Herstellung und Lagerung. Neueste Ergänzung des Gebäudekomplexes ist die Er-
weiterung der Gewölbekeller-Anlage von 1450 durch die Architekten von Bergmeister-
wolf. Über einen neuen Treppentunnel gelangt man nun vom sanierten Bestand mit
seinen neu ausgebauten Verkostungsräumen in eine unterirdische Produktionsanlage,
die oberirdisch als Hotelparkplatz fungiert. Weithin sichtbarer Hinweis auf den funk-
tionalen Neubau ist ein monolithisch aufragender Turm mit Bronzeplatten-Verkleidung.
Der zu einem Pyramidenstumpf abgeböschte Baukörper dient im Obergeschoss als Bü-
roraum mit Blickbezügen auf Hof und Weinberge, während das Erdgeschoss als Garage
für Erntemaschinen und dank Bodenöffnung als wettergeschützter Raum für das Be-
füllen der Anlage mit Erntegut genutzt wird. Ein schwellenloser Zugang entstand hier-
für mit einem im geschlossenen Zustand unsichtbaren Schiebetür-Mechanismus, der
ein großformatiges Fassadensegment öffnen kann. In der Ausformulierung des Projek-
tes legten die Architekten im Kellerbestand wie auch im Neubau besonderen Wert auf
eine alltagstaugliche Anordnung der erforderlichen Nutzungsbereiche und einen hand-
werklich hochwertigen Innenausbau, der ein spannungsvolles Wechselspiel zwischen
verschiedenen Raumkubaturen und Haptiken sowie natürlichen und künstlichen Licht-
quellen kultiviert. Zahlreiche ausgewählte Materialien kommen dabei in ihrer natürli-
chen Optik zum Einsatz und geben dem Weinkeller als Ganzes eine ästhetische, in sich
ruhende Strahlkraft, die ganz ohne Effekthascherei auskommt.
120 • AIT 9.2019