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Jaqueline Jaskulski
2015-2019 B.A. Innenarchitektur, TH OWL, Detmold 2019-2021 M.A. In-
nenarchitektur Raumkunst, TH OWL, Detmold seit 2021 Mitarbeiterin
M.A. Innenarchitektur, Trendwerk Studios, Horn-Bad Meinberg
Einladendes Sitzmöbel im Flur • Inviting sitting furniture in the hallway Speziell entworfen: Möbel, die Behinderungen mitdenken und fördern sollen. • Furniture intended to consider restrictions and promote the users.
von • by Jaqueline Jaskulski
I n meiner Masterthesis an der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe befasse werden, in dem die Bewohnerinnen und Bewohner für gemeinsame Zeit zusammen-
kommen können. Der Wunsch nach einem Raum, in dem Fußball gespielt werden
ich mich mit dem Entwurf für den LVR-Wohnverbund Thomas-von-Aquin-Weg in
Duisburg. Dort leben Menschen mit geistigen und mehrfachen Behinderungen unter- kann, wird hier Thema. Der Teppichboden zeigt ein Fußballfeld, und der Eingang
schiedlicher Grade. Als Wohnformen werden vier Wohngemeinschaften für vier bis acht kann als Tor genutzt werden. Da zum Fußballspielen Platz benötigt wird, galt es,
Personen und Einzel- oder Doppelappartements angeboten. Während die Bewohnerin- Möbel flexibel zu machen. Daher gibt es einen Klapptisch, der im eingeklappten Zu-
nen und Bewohner zurzeit ab Beginn des Einzuges ihr Leben lang in demselben Zimmer stand als Wandbild funktioniert, und Stühle, die im Flur aufgehängt werden können.
wohnen, soll in diesem Entwurf das Umziehen innerhalb des Hauses zum Konzept ge- Ein Picknicktisch kann ebenso aus dem Flur geholt werden. Bei geöffnetem Tor bilden
macht werden. Während der unterschiedlichen Lebensphasen werden entsprechende WG-Zimmer und Flur eine Einheit. Das Herzstück des WG-Zimmers ist das „Baum-
Anforderungen an das Wohnumfeld gestellt. Durch das Umziehen im Laufe des Lebens haus“. Dieses kaschiert nicht nur die ungünstige Architektur des Raumes, sondern
wird ermöglicht, dass die Wohnungen auf diese Bedürfnisse reagieren und als Wohn- wird zu einem ganz besonderen Ort. Dem Baumhaus wohnt ein ganz eigener Charak-
einheit entsprechend auf die Gruppe angepasst werden können. Professorin Dorothea ter inne, da es kletternd erobert wird. Es kann als Beobachtungsposten dienen; durch
Schutsch und Professor Rütt Schultz-Matthiesen haben die Masterthesis betreut. das Zuziehen der Vorhänge aber auch zu einer Höhle werden, in der man die Außen-
welt vergessen kann. Hier oben finden ein bis zwei Personen Platz. In die hölzerne
„Farbenpuzzle“ als Fundament des Entwurfs Decke sind Sterne eingefräst, die hinterleuchtet werden und einen Sternenhimmel ab-
bilden. Das Licht dieser Sterne kann in seiner Farbigkeit verändert werden. Dank der
Der Entwurf beschäftigt sich mit einer Wohngemeinschaft für vier junge Menschen, kleinen Dimension des Raumes kann man regelrecht in diese Farbe „eintauchen“.
die motorisch nicht eingeschränkt sind. Es entstehen für sie Räume, die sie fordern Aus dem Baumhaus heraus bildet sich eine hohe Sitzbank, die auch als Rückenlehne
und fördern sollen. Der Ausgangspunkt für den Entwurf bildete das Farbkonzept, das dient, wenn man auf dem Boden sitzt. In der Front befinden sich „Polsterkugeln“, die
in gemeinsamem Experimentieren mit den Bewohnerinnen und Bewohnern entwi- zur Hälfte mit rotem und zur anderen Hälfte mit blauem Stoff bezogen sind. Sie lassen
ckelt wurde: Beim gemeinsamen „Farbenpuzzeln“ mit einer Auswahl von 126 Farbnu- sich drehen, sodass sich die Farbigkeit verändert. Beim Hinsetzen und Aufstehen be-
ancen entstanden individuelle „Farbbilder“ für die Privaträume und ein gemeinsames wegen sich die Kugeln mit. Das Element der Polsterung taucht in Form von Wandpol-
„Farbbild“ für den Gemeinschaftsbereich. Die Farben wurden dabei selbstständig stern erneut im Raum auf. Auf Grundlage dieses Entwurfes entstand die Möbelreihe
ausgewählt – mit viel Bedacht oder rein intuitiv. Im Flur zieht sich eine rote Wand „Livability“, die in einem eigenen Katalog präsentiert wurde. Diese Möbel bedenken
durch den Raum, an einer Rundung gelangt man zu einer einladenden Sitzecke. Hier Einschränkungen, stellen diese jedoch nicht in den Vordergrund, sondern sollen die
entsteht ein Begegnungsort in der Wohnung. Ein rotes Tor signalisiert den Eingang Neugier wecken, Neues auszuprobieren und sich selbst herauszufordern. So können
zum Gemeinschaftsraum. Zentrum der Wohnung soll das Wohngemeinschaftszimmer die Nutzerinnen und Nutzer gefordert und gefördert werden.
AIT 12.2021 • 045