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WOHNEN • LIVING


































               DODGED HOUSE

               IN LISSABON


               Entwurf • Design Bureau – Daniel Zamarbide / Leopold Banchini, PT-Lissabon



               Nicht nur aufgrund seiner abweisenden Straßenfassade unterschei-
               det sich das Dodged House ganz wesentlich von der umgebenden
               Bebauung. Während die Nachbarn ihre romantisch heruntergekom-
               menen Altstadthäuschen liebevoll für die zahlungskräftige Airbnb-
               Klientel herausputzten, verweigerten sich zwei junge Architekten
               dem lukrativen Ansinnen und schufen eine privilegierte Leere.



               von • by Petra Stephan
               W    as das Dodged House nicht sein will, zeigt es bereits in der Fassade zur Straße:
                    Eine der zahllosen Airbnb-getriebenen Renovierungen, die zwar häufig gut und
               sensibel gemacht sind, aber von einer marktfähigen, instagramtauglichen Belanglosig-
               keit, die ein immer wichtiger werdender Indikator für erfolgreiche Architektur zu sein
               scheint. Die zugemauerten Fensteröffnungen sollen das Gegenteil von dem implizieren,
               was seit Jahren in von der Finanzkrise betroffenen südlichen Großstädten – nicht nur in
               Portugal – stattfindet. Leer stehende Häuser, zu erkennen an den geschlossenen, ver-
               nachlässigten Fassaden, werden für die Vermietung an zahlungskräftige Touristen reno-
               viert, die Fenster wieder geöffnet. Daniel Zamarbide – Bauherr und Architekt zugleich –
               und Leopold Banchini hatten anderes vor mit dem viergeschossigen Häuschen auf einer
               Grundfläche von gerade einmal 40 Quadratmetern in Lissabons Stadtviertel Mouraya.
               Zur Straße hin mauerten sie die Öffnungen zu, belichten lediglich über den Innenhof,
               entfernten die Geschossdecken und zogen drei neue Galerieebenen ein, die nach oben
               hin immer tiefer in den Luftraum hineinragen und die sie mit einer leichten Wendel-
               treppenkonstruktion verbanden. Die Organisation des Hauses – angelehnt an die Idee
               der Corbusier´schen machine à habiter – ist denkbar einfach: Im Erdgeschoss mit an-
               schließendem Innenhof finden Wohnen, Essen und Kochen statt, auf der ersten und
               zweiten Ebene sind jeweils ein Schlafzimmer und ein Bad untergebracht, auf der dritten
               Ebene ein Arbeitsraum. Alle Bereiche sind offen und zum dreigeschossigen Luftraum hin
               verglast, als Brüstung dient jeweils eine durchgehende Marmorplatte, die mal Schreib-
               tisch und mal Waschtisch ist. Eine kaum marktfähige Leere in einem großen Volumen
               ist das Motto! Gewidmet ist das Dodged House dem Architekten der kalifornischen Mo-
               derne Irving Gill. Sein wegweisendes Haus für Walter L. Dodge, 1916 fertiggestellt, wurde
               1970 abgerissen – gerade als es von einer größeren Öffentlichkeit wahrgenommen wor-
               den war. Für Zamarbide und Banchini ist das Dodged House der Versuch, sich dem Zu-
               stand einer bestimmten Architektur in Lissabon zu entziehen, sie gar auszutricksen.


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