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FORUM NACHRICHTEN • NEWS
ZRH 47° 27’ 30’’ N, 8° 32’ 53’’ O (Zürich) Jasmin Jouhar
Kunsthistorikerin, seit
2008 Freie Autorin und
Redakteurin im Bereich
Innen-/Architektur, Design
und Brands
Tanzen und baden
Manchmal reicht die eine starke Gestal- Deswegen haben die Architekten das Sometimes just one strong design idea is
tungsidee, um ein ganzes Gebäude zu- Haus regelrecht in die Uferböschung ein- enough to strikingly characterize a whole
sammenzuhalten. Beim Tanzhaus in Zü- gegraben. Wer von der Straße kommt, building. For the Zurich Tanzhaus, it is
rich ist es offensichtlich das gleichschen- steht erst einmal auf dem bepflanzten the isosceles trapezoid which Barozzi
kelige Trapez, das die Architekten Barozzi Flachdach. Treppen auf beiden Seiten füh- Veiga architects chose as the determi-
Veiga als bestimmendes Element ihres ren nach unten zum Uferweg und zu den ning element of their new building. All
Neubaus gewählt haben. Alle Fenster Eingängen. Die Nachbarn können so wei- the window openings have the shape of
haben die Form eines sich nach oben ver- terhin den Blick auf den Fluss genießen. a trapezoid tapering towards the top and
jüngenden Trapezes. Fein säuberlich auf- Das Ufer bleibt zugänglich. Um Innen und dominating the façade of the elongated,
gereiht dominieren sie die Fassade des Außen zu verbinden, projizierten Barozzi two-floor concrete construction. Despite
langgestreckten, zweigeschossigen Beton- Veiga die auf den Trapezen aufgebaute its uniformity, the definitely unusual
baus. Klingt monoton? Ist es auch, aber in Gliederung der Fassade auf die Innen- window format adds plenty of dyna-
diesem Fall wirkt die Monotonie gar nicht wand des Foyers im Erdgeschoss – die mism. The new building is already situa-
ermüdend, im Gegenteil. Das ungewöhn- Fensteröffnungen werden zu Nischen, die ted in a special place, anyway: right on
liche Fensterformat bringt genug Span- Türen und Regalborde aufnehmen. Dahin- the bank of the Limmat surrounded by
nung. Zurückhaltung war ohnehin das ter, im großen Saal, bilden die Trapez-Fen- old buildings and a popular river lido.
Gebot des Projekts, denn der Neubau für ster ein raumbestimmendes Oberlicht- The architects thus actually embedded
das Züricher Tanzzentrum ist nicht nur re- band. Architekturfans sollten das Ge- the construction in the embankment. Ar-
bäude übrigens im Sommer besuchen
chitecture fans should visit it in summer
lativ klein, er steht auch an einem speziel-
Fotos: Simon Menges len Ort: direkt am Ufer der Limmat, zwi- und Badesachen nicht vergessen: Vom and not forget to take their swimwear.
From the water, a totally new view of the
schen Uferweg und Straße, umgeben von
Wasser aus ergibt sich noch mal eine ganz
Altbauten und einem beliebten Flussbad.
neue Perspektive auf das Tanzhaus.
Tanzhaus results.
TXL 52° 33’ 35’’ N, 13° 17’ 16’’ O (Berlin-Tegel) Hendrik Bohle -
Archi tekt, Stadt forscher
und Autor, lebt und arbei-
tet in Berlin, Istan bul und
den Ver eini gten Arabi
schen Emiraten
Lesen und staunen
Die „Interbau 1957“ im Berliner Hansa- genen November wurde sie nach zweijäh- Interbau 1957 in the Berlin Hansa district
viertel war eines der bedeutendsten Stadt- riger, denkmalgerechter Sanierung durch was a significant post-war project brin-
planungsprojekte der Nachkriegszeit, adb Ewerien und Obermann wiedereröff- ging international architects, urban- and
führte sie nach dem großen Krieg interna- net. Dabei verblüfft besonders der sensi- landscape planners together and, led by
tionale Architekten, Stadt- und Land- ble Umgang der Architekten mit dem Be- Otto Bartning, develop a modern, free vi-
schaftsplaner zusammen, um unter der stand. Es scheint beinahe so, als hätte es sion of the city. The Berlin master buil-
Leitung Otto Bartnings eine moderne freie keine Eingriffe gegeben. Auch die gesamte der Werner Düttmann designed the
Stadtvision zu entwickeln. Darunter Grö- Inneneinrichtung wurde sorgfältig aufge- cheerful Hansa library. His intimate yet
ßen wie Oscar Niemeyer, Alvar Aalto, arbeitet und nach alten Vorlagen ergänzt. open house of visual relationships and
Arne Jacobsen, Egon Eiermann und Le Bis in die Möbel und die locker gestellten transparency was the complete opposite
Corbusier. Die Planung der heiteren Han- Regale hinein bleibt Düttmanns gebautes of the former monumental libraries. The
sabücherei am zentralen gleichnamigen Verständnis der Bildungsreform erkenn- one-storey library surrounds a central
Platz übernahm der Berliner Baumeister bar. Sogar eine Ausstellungswand hatte er courtyard whose adjacent windows can
Werner Düttmann. Sein intimes und zu- geplant. „Auch zukünftig soll das Haus be mechanically lowered into the floor.
gleich offenes Haus der Sichtbeziehungen wieder der kulturelle Mittelpunkt des Inside and outside thus flow into each
und Transparenz war das absolute Gegen- Hansaviertels werden“, so Raimar Oest- other. Last November, the library was
teil monumentaler Bibliotheken vorange- reich, engagierter Leiter der Bücherei: eine reopened after a two-year refurbishment
gangener Jahre. Die eingeschossige Büche- offene Bücherei mit regelmäßigen Ausstel- by adb Ewerien und Obermann accor-
rei umschließt einen zentralen Innenhof,
ding to the guidelines of monument pro-
lungen, Lesungen und anderen Veranstal-
Fotos: Hendrik Bohle dessen angrenzende Fenster sich mecha- tungen ganz im Sinne Düttmanns, einem tection. The result amazes above all with
the architects’ sensitive approach to the
nisch im Boden versenken lassen. Innen
der begnadetsten Architekten der deut-
und Außen fließen ineinander. Im vergan-
building stock.
schen Nachkriegsmoderne.
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