GROHE Digital Talks, Upcoming Architects facing new Conditions
Upcoming Architects facing new Conditions – Interview mit Sebastian Kofink & Simon Jüttner, Kofink Schels Architekten
GROHE Digital Talks, Upcoming Architects facing new Conditions
März 2022
Blogger Curators, Grohe
Sebastian Kofink & Simon Jüttner, Kofink Schels Architekten
Kofink Schels Architekten: Wählvermittlungsstelle, Bad Hindelang (Foto: Simon Jüttner)
Kofink Schels Architekten: Wählvermittlungsstelle, Bad Hindelang (Foto: Simon Jüttner)
Kofink Schels Architekten: T.I.A.-House 1, Almería, Spanien (Foto: Simon Jüttner)
Upcoming Architects nehmen Stellung, wie sie den Herausforderungen des globalen Wandels begegnen und wie sie ihre Position als Ideengeber, Neuschöpfer und Qualitätssetzer behaupten. Lesen Sie dazu hier das Gespräch mit Interview mit Sebastian Kofink & Simon Jüttner, Kofink Schels Architekten.
„Auf der einen Seite steht die Tatsache, dass wir wirklich große klimatische und gesellschaftliche Herausforderungen meistern müssen und auf der anderen Seite eine Überregulierung, die eine kreative, schnelle und ernsthafte Reaktion auf diese Herausforderungen unterminiert. Sich hier für neue Rahmenbedingungen einzusetzen, ist ganz wichtig. Darin liegt eine Verantwortung unserer Disziplin – und eine Chance, dieser wieder mehr Relevanz zu verschaffen.“ Sebastian Kofink & Simon Jüttner
GROHE: Wie kam es 2014 zu der Bürogründung von Kofink Schels? Kofink: Nach dem Studium hatte ich, zusammen mit meinem vorherigen Professor Martin Bühler, ein Projekt in Zürich realisiert, das ich fotografieren lassen wollte – ein befreundeter Kollege stellte mir Simon Schels vor. Wir sind dann zusammen nach Zürich gefahren, haben ein Wochenende im besagten Haus verbracht und uns kennengelernt, viel über Architektur und das Leben gesprochen und fanden, dass wir viele Parallelen haben und versuchen sollten, zusammenzuarbeiten.
Jüttner: Wir haben dann gemeinsam an eineminternationalen Ideenwettbewerb teilgenommen, für den wir einen Büronamen brauchten – so entstand Büro Kofink Schels, obwohl wir damals noch gar nicht die Absicht hatten, ein gemeinsames Büro zu gründen.
Wofür steht Ihre Architektur? Kofink u. S. Jüttner: Zu Beginn hatten wir kleine Projekte, die unter nahezu prekären Umständen und hohem finanziellen Druck entstanden sind. Das Finden von einfachen Lösungen und das Hinterfragen von Baustandards war dabei zentral. Wir nennen das gerne Poetischen Pragmatismus. Diesen versuchen wir jetzt auch auf einen größeren Maßstab zu übertragen und schauen, wie dieser in einem öffentlichen Auftragsverhältnis möglich sein kann. Im Grunde sind wir gerade in einer Phase, in der wir versuchen, genau diese Themen für uns zu definieren und zu verfeinern. Aus dem Verzicht, der uns in unseren ersten Projekten als Zwang auferlegt war, wurde eine Haltung. Wir haben festgestellt, dass man vieles gar nicht braucht. Da geht es um Materialstandards, Gebäudetechnisierung und auch stilistische Fragestellungen. Wir glauben mit einem großen ökologischen Bewusstsein zu arbeiten. Außerdem sind wir Verfechter einer Low-Tech-Architektur. Wir selbst benutzen etwa den Begriff ‚Smart Home‘, um Gebäude zu beschreiben, die deshalb schlau sind, weil sie einfach keine Technik brauchen.
Worin sehen Sie Ihre Verantwortung als Architekt?
Man hat als Architekt*in diverse Verantwortungen gegenüber den unterschiedlichsten Akteuren. Aber die Verantwortung gegenüber Umwelt und Gesellschaft ist die, die uns am zentralsten erscheint. Es wird einem sehr leicht gemacht, diese Verantwortung nicht ernst zu nehmen – auf der einen Seite bedingt durch starre Regularien und auf der anderen Seite durch ein, unserer Meinung nach, verzerrtes Bild davon, was eine gelungene Architektur ausmacht. In einem Planungs- und Bauprozess existieren auf verschiedenen Ebenen unterschiedlichste Zwänge – häufig lassen es die Rahmenbedingungen gar nicht zu der Verantwortung konsequent gerecht zu werden. Wir streben trotzdem danach möglichst verantwortungsvoll zu bauen und glauben, dass wir als Architekten auch versuchen müssen Rahmenbedingungen mitzugestalten und in der Öffentlichkeit auf Missstände aufmerksam zu machen.
Finden Sie, dass Sie bezüglich des Themas Nachhaltigkeit anders denken und handeln als die Architektengeneration vor Ihnen? Was ist für Sie nachhaltige Architektur?
Nachhaltigkeit hat in der Architektur schon immer eine Rolle gespielt. Es gibt viele Kolleg*innen aus der Generation vor uns, die sich damit intensiv auseinandergesetzt haben. Seit geraumer Zeit hat das Thema allerdings an Dringlichkeit gewonnen. Man muss nur aufpassen, dass Nachhaltigkeit nicht zur Modeerscheinung verkommt. Wirklich nachhaltig zu entwerfen und zu bauen, das ist eine ziemlich komplexe Geschichte. Eine Frage, die da mit drinsteckt, ist jene nach den Rahmenbedingungen: Existiert das Gute im Schlechten? Kann ich einen Bebauungsplan, wo die städtebauliche Entwicklung falsch läuft und viele Ressourcen verschwendet werden, ausgleichen, indem ich ein super-ökologisches Einfamilienhaus baue? Sollte ich einfach sagen: „Na ja, mein Rahmen ist nun mal dieser Bebauungsplan und da mache ich jetzt das Beste daraus“? Wir sollten den Anspruch haben, gesamtgesellschaftlich zu denken: „Wir müssen nachhaltigere Architektur machen – vom Städtebau bis ins kleinste Detail, bis zur Wiederverwendung der Türklinke.“ Wir glauben, es gibt viele Aspekte der Nachhaltigkeit, die schwer zu quantifizieren sind. Im Endeffekt geht es um eine Effizienz im Einsatz von Mitteln, darum, welche Rohstoffe ich ein- und welche Schadstoffe freisetzte. Zentral für eine Bewertung ist die Frage nach der Lebensdauer und der sozialen Komponente. Möglicherweise darf ein Gebäude, das der Gesellschaft im Allgemeinen dient und da einfach große Dienste leistet, ein bisschen unsauberer sein als ein Einfamilienhaus, das den Hedonismus eines Einzelnen befriedigt. Bei dem Begriff der Nachhaltigkeit müsste grundsätzlich viel stärker der gesellschaftliche Aspekt in den Fokus rücken, um letztlich die Frage zu verhandeln: „Wie wollen wir leben? Was brauchen wir überhaupt dazu als Gesellschaft?“
Was sind Ihrer Meinung nach als Architekt derzeit die größten Herausforderungen?
Was uns tatsächlich viel beschäftigt und wo wir überlegen, wie wir damit umgehen, ist die enorme Fülle an Normen und Regularien, die im Grunde viel dazu beitragen, wie Architektur am Ende umgesetzt wird. Auf der einen Seite steht die Tatsache, dass wir wirklich große klimatische und gesellschaftliche Herausforderungen meistern müssen und auf der anderen Seite eine Überregulierung, die eine kreative, schnelle und ernsthafte Reaktion auf diese Herausforderungen unterminiert. Sich hier für neue Rahmenbedingungen einzusetzen, ist ganz wichtig. Darin liegt eine Verantwortung unserer Disziplin – und eine Chance, dieser wieder mehr Relevanz zu verschaffen. Wir glauben, dass sich die Architektur in den letzten Dekaden – teilweise selbst verschuldet – in der Gesellschaft entmündigt hat. Man hat gewisse Fragestellungen gesellschaftlicher und ökologischer Natur hintenangestellt und damit für die breite Masse wenig Antworten parat. Viele fühlten sich nicht angesprochen von einer Architektenwelt, die ihre ‚Star-Architekten‘ zu pushen scheint. Dieser Begriff ‚Star-Architekt‘ war in den letzten zwanzig Jahren ein Begriff, den die breite Bevölkerung mit Architektur verbunden hat. Wenn sich auf dem Land also jemand ein Architektenhaus leistet, dann gilt er als bescheuert, weil er Geld für etwas ausgibt, das er überhaupt nicht braucht. Er will eigentlich nur angeben – wie mit einem dicken Auto. Und die Leute haben teilweise auch recht. Viele Architekten arbeiten ja noch immer so.
Was fehlt Ihnen an der zeitgenössischen deutschen Architektur?
Die Potenziale, die die junge deutsche Architekt*innenschaft mitbringt, sind groß. Was fehlt, das ist mehr Spielraum dieses Potential einbringen zu können – auf Seiten der Gesetze und Normen genauso wie bei den Vergabeverfahren. Aber auch ganz allgemein innerhalb der Gesellschaft, in der für die Wertschätzung für architektonische Gestaltung, ja für deren Notwendigkeit ein größeres Bewusstsein erreicht werden muss. Anderen Kulturzweigen wie der Musik und der Kunst ergeht es ähnlich, ihnen bringt man oftmals auch wenig Verständnis entgegen.
Wir glauben allerdings nicht, dass man ein Umdenken nur mit einer Architektur-Bildung schaffen kann. Auch auf der politischen Ebene gibt es durchaus Instrumente, um die Baukultur effektiv zu fördern. Flandern wird gerne als Beispiel genannt. Hier wurde die Stelle eines Regierungsbaumeister geschaffen, der unter anderem niederschwellige Wettbewerbsverfahren etablierte, um jungen Architekten Zugang zu Aufträgen der öffentlichen Hand zu erleichtern. Das hat sich schnell positiv auf die Baukultur ausgewirkt. Vielleicht ist so etwas in einem kleinen Land einfacher, wo der Druck der Industrie nicht so groß zu sein scheint wie in Deutschland. Trotzdem sind wir überzeugt, auch bei uns wäre da sehr viel mehr möglich.
Sie haben in Bezug auf unsere Baukultur drei Wünsche frei. Wie würden diese lauten?
Wir haben natürlich Wünsche, aber es klingt dann schnell so, als würde man jetzt von der Gesellschaft Geschenke erwarten oder als seien die Anderen schuld, dass die Baukultur am Boden liegt. Aber um die Frage zu beantworten: Wir würden uns wünschen, wieder etwas einfacher denken zu dürfen. Man sollte den Architekt*innen die Möglichkeit geben, gewisse Dinge ohne Vorgaben zu entscheiden, gerade bei diesen ganzen Wohnungsbau-Wettbewerben. Wir fragen uns etwa immer, was z.B. diese strikten Wohnungsschlüssel auf der Gebäudeebene sollen. Warum kann ich nicht einfach ein gutes Wohnhaus entwerfen und dann entscheidet der Wettbewerb, ob man das passend findet; immer von Anfang an das Potenzial stark einzuschränken, ist, glauben wir, ein großes Problem. Und wir würden uns ein wenig mehr Zeit wünschen. Wir finden es dramatisch, wie schnell Projekte teilweise entwickelt werden sollen. Wenn wir uns an unsere ersten Projekte erinnern, gab es das nicht. Wir würden uns wünschen, dass man einfach wieder Zeit hat, um im Planungsteam über die Dinge tiefer nachzudenken. Es ist schon witzig, dass die Architektur diesen Geschwindigkeitswahn mitmachen muss. Dabei könnte sie auch als Gegenpol dazu wirken, wenn sie eben nicht nur für dreißig, zwanzig, zehn Jahre geplant und gebaut wird, sondern wieder wie eine Kirche für mehrere hundert Jahre. Im Kontakt mit einer Dame vom Bundesministerium des Inneren, für Bau und Heimat, sagte diese kürzlich: „Ja, jetzt haben wir die Regeln. Bis eine Gesetzesänderung durch wäre, dauert es Jahre. (…) eigentlich muss man jetzt in zivilem Ungehorsam dagegen arbeiten.“ Und auch die Stadtbaurätin Münchens, Frau Elisabeth Merk, hat in einem Symposium sinngemäß gesagt: „Wir brauchen nur ein Drittel der DIN-Normen. Dreißig Prozent sind schädlich, dreißig Prozent sind überflüssig und nur dreißig Prozent sind sinnvoll.“ Das ist schon wirklich bezeichnend für die Situation, in der wir uns befinden. Natürlich könnten wir Architekten versuchen, auf die Vorgaben zu pfeifen. Am Ende, wenn es schiefgeht, haben wir aber die Probleme am Hals. Unserer Meinung nach ist es jetzt dringend nötig, dass die Politik reagiert. Dass sie versteht, was hier die Probleme sind.
Was muss nachhaltiger Wohnraum für Sie leisten? Haben Sie dazu eine passende Referenz?
Zunächst müssen in einem guten Wohnraum unterschiedlichste Leute gesund leben können. Es braucht grundlegende Dinge wie Licht, Luft, Sonne und der Raum sollte eine gewisse Robustheit aufweisen und sich an wechselnde Bedürfnisse anpassen können. Wir glauben zudem, ein Aspekt von guten Räumen ist, dass ihre Qualität das Selbstwertgefühl des Einzelnen unterstreicht. Schlechte Räume machen den Menschen klein – gute Räume hingegen lassen ihn sich selbst und seine Wirkmächtigkeit in positiver Weise erfahren. Das kling erstmal abstrakt, eine spezielle Referenz braucht man da aber eigentlich nicht. Man kann sich einfach einen guten Altbau in einem gewachsenen Viertel anschauen. Der hat genau diese Möglichkeiten. Altbauwohnungen werden heute als Arztpraxis oder als Anwaltskanzlei genutzt, und später wohnt vielleicht wieder eine große Familie dort, oder sie beherbergt eine Senioren-WG. Zweifellos gibt es gute zeitgenössische Wohnungsbauten, aber ich würde sagen, viele wirklich gut funktionierenden Beispiele finden sich im Altbestand.
Positionierung & Philosophie
Aus einer Serie von ersten kleinen Projekten, die ohne einen hohen Grad an Eigeninitiative und handwerklicher Mitwirkung nicht zustande gekommen wären, entwickelte das Büro unter dem Leitgedanken des „Poetischen Pragmatismus“ eine Haltung, die von Beginn an soziale, ökologische und ökonomische Angemessenheit gleichermaßen als Grundlagen einer nachhaltigen Architektur versteht.
Über Simon Jüttner & Sebastian Kofink Simon Jüttner *1982 als Simon Schels: Studium Architektur und Stadtplanung an der TU München. Seit seinem Abschluss selbstständig tätig als Architekt und Fotograf. Gründungsmitglied des Fotokollektivs PK Odessa Co. 2014 Gründung Buero Kofink Schels. 2015 bis 2018 Gastdozent an der Akademie der Bildenden Künste in München und 2020/21 Lehrauftrag an der Hochschule Stuttgart. Seit 2021 Lehrauftrag an der Hochschule München. 2016 Förderpreis für Architektur der Landeshauptstadt München. 2020 Stipendiat der deutschen Akademie in Rom Villa Massimo.
Sebastian Kofink *1984: Ausbildung zum Zimmermann, Studium Innenarchitektur und Architektur in Rosenheim, Prag und Liechtenstein. Arbeitete für Carsten Nicolai und Roger Bundschuh in Berlin, Martin Bühler in Zürich, Finsterwalderarchitekten in Rom und Regional Associates in Uganda. 2012 bis 2014 assistent am Lehrstuhl für Entwerfen und Gestalten und von 2015 bis 2021 am Lehrstuhl für Entwerfen und Konstruieren an der TU München. Seit 2021 Dozent an der Hochschule München. 2014 Gründung Buero Kofink Schels. 2016 Förderpreis für Architektur der Landeshauptstadt München.
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