GROHE Digital Talks, Upcoming Architects facing new Conditions

Upcoming Architects facing new Conditions – Interview mit Roger Wirtz von Stein Hemmes Wirtz Architekten

Upcoming Architects nehmen Stellung, wie sie den Herausforderungen des globalen Wandels begegnen und wie sie ihre Position als Ideengeber, Neuschöpfer und Qualitätssetzer behaupten. Lesen Sie dazu hier das Gespräch mit Roger Wirtz von Stein Hemmes Wirtz Architekten.

„Um etwas Dauerhaftes, etwas Nachhaltiges zu schaffen muss Bauen teuer sein. Die extrem hohen Marktpreise in unseren verdichteten städtischen Lagen werden fast selbstverständlich geschluckt, aber beim Bau ist die Bereitschaft, Werte im Sinne einer lebenswerten Umwelt zu schaffen, oftmals nicht gegeben. Es ist darum sehr wichtig, dass die Architektenschaft in die breite Öffentlichkeit kommuniziert und den Kontakt zur Bevölkerung sucht.“  Roger Wirtz

GROHE: Auf Ihrer Homepage formulieren Sie, dass Sie Nachhaltigkeit als Ökologie sehen, die effizient mit Ressourcen umgeht und regionale Materialien verwendet. Können Sie das näher erläutern?
Roger Wirtz: Nachhaltigkeit wird in der Baubranche vielfach rein technisch in Erfüllung von Bilanzen betrachtet. Für uns geht das Thema über die Energie­effizienz hinaus. Wir versuchen, uns im Sinne der Suffizienz auf das Wesentliche zu konzentrieren und setzen hierbei gerne regionale Materialien ein. Nicht nur um die Lieferwege kurzzuhalten. Wir beobachten, dass Menschen Räume und Materialien, die sie selbstver­ständlich, gut und gerne benutzten, erhalten und schützen. Auf diese Weise sind sie nachhaltiger als Austauschbare.

Welches Ihrer Projekte finden Sie für die aktuelle Architekturdiskussion in Deutschland am relevantesten?
Das ist schwer zu beantworten. Grundsätzlich begrüßen wir den Vormarsch des Holzbaus. Holz hat in der Grund­konstruktion einen sehr niedrigen CO2­Fußabdruck. Als Beispiel benenne ich aber auch gerne das evangelische Gemeindezentrum mitsamt Kirchensanierung in Mett­mann. Dort konnten wir einen innerstädtischen ‚Unort‘ – bislang ein zugewucherter Parkplatz – aktivieren und daraus einen öffentlichen Platz gestalten, von dem sehr viele Menschen über die Kirche hinaus profitieren. Dieses Projekt und diese räumliche Situation finden wir inspirierend und sie deckt sich mit unserer Architektur­auffassung.
Auch in Bezug auf die Materialität drückt das Gebäude Wertigkeit aus – wir haben mit Grauwacke, ein orts­typisches Gestein verwendet und den Kirchenstandort gleichzeitig zeitgemäß ergänzt. Darüber hinaus kam im Außen-­ und Innenraum Holz zum Einsatz, sodass der Ort Wärme ausstrahlt. Für uns ist es die größte Anerkennung, wenn Menschen sich an neu geschaf­fenen Orten gerne aufhalten. Und das ist hier der Fall.

Fehlt Ihnen etwas an der gegenwärtigen Architekturdiskussion?
Es fehlt mir vor allen Dingen der breite gesellschaftliche Konsens, also die Auseinandersetzung der Öffentlichkeit mit Baukultur. Gerade bei Diskussionen um die Baupreis­steigerung kommt zu kurz, dass es um die Schaffung von dauerhaften Werten geht. Dabei ist die Abkehr von Gebäuden, die nach 15 Jahren Abschreibung weggeworfen werden, besonders wichtig. Um etwas Dauerhaftes, etwas Nachhaltiges zu schaffen, muss Bauen teuer sein. Die extrem hohen Marktpreise in unseren verdichteten städtischen Lagen werden fast selbstverständlich geschluckt, aber beim Bau ist die Bereitschaft, Werte im Sinne einer lebenswerten Umwelt zu schaffen, oftmals nicht gegeben. Es ist darum sehr wichtig, dass die Architektenschaft in die breite Öffent­lichkeit kommuniziert und den Kontakt zur Bevölkerung sucht. Man darf sich nicht zu schade sein, Diskussionen zu Qualität und Nachhaltigkeit hoch zu halten – selbst dann, wenn sie in der Familie, im Freundes-­ oder im Bekanntenkreis stattfindet. Die ‚Geiz-ist-geil‘ und die Wegwerfmentalität ist ein Affront gegenüber unserer Baukultur und bringt keinen weiter.

Der Titel unserer Interviewreihe heißt „Upcoming Architects Facing New Conditions”. Mit welchen neuen Bedingungen sehen Sie sich konfrontiert?
Ich habe Lust auf Veränderungen. Es gilt immer auf Veränderungen zu reagieren, sie sind für uns eine große Motivation. Es gibt rein aus Sicht des Klimawandels notwendige Veränderungen. Wir müssen über Baustoff­kreisläufe nachdenken. Und das ist etwas Gutes, aber beim besten Willen nichts Neues. Stoffkreisläufe zu berücksichtigen war bis vor der Industrialisierung das A und O, nur so konnte man bauen. Das Thema ist also etwas Dagewesenes, das es wieder aufzugreifen gilt. Aber natürlich befinden wir uns im Wandel und sind eine älter werdende Gesellschaft.

weiterlesen

 

Anspruch
„Auf der Suche nach zeitgemäßen Antworten auf vielfältige Bauaufgaben finden wir seit 1992 nachhaltige Lösungen. Nachhaltigkeit begreifen wir dabei ökologisch als effizienten Umgang mit Ressourcen und Verwendung regionaler Materialien und ökonomisch als Einsatz dauerhafter Baustoffe und Konstruktionen. Funktionierende und flexible Gebäudekonzepte haben inhaltlich und zeitlich Bestand. Ein Haus, das darüber hinaus durch eine hohe Gestaltqualität besticht, wird zum Identitätsträger für eine Familie, eine Stadt, für die Gesellschaft, und wird so dauerhaft erhalten. “Was schön ist bleibt.” Darum verknüpfen wir in unseren Projekten energetisches Bauen, über gesetzlich geforderte Mindeststandards hinaus, mit dem gestalterischen Anspruch an uns selbst und gegenüber unserer Umwelt.“

Über Roger Wirtz
Roger Wirtz (*1976), Dipl.?Ing. Architekt BDA, studierte an der TU Darmstadt. Vor seinem Studium absolvierte er von 1997?1999 zunächst eine Ausbildung zum Bauzeichner in Trier. Neben freiberuflichen Tätigkeiten während seines Studiums folgte 2005 ein Auslandspraktikum bei querkraft architekten in Wien. Nach seinem Diplom 2006 bei Prof. Günter Pfeifer arbeitete er bei Jo. Franzke Architekten in Frankfurt / Main. 2008 erfolgte die Eintragung in die Architektenliste der hessischen Architektenkammer. Seit 2010 ist er Partner im Büro ARCHITEKTEN STEIN HEMMES WIRTZ und gründete die Niederlassung in Frankfurt / Main, die er seitdem gemeinsam mit seiner Frau Sabrina Wirtz führt. Im Jahr 2018 wurde er in den Bund deutscher Architektinnen und Architekten (BDA) berufen. Neben Gastkritiken, Werk? und Fachvorträgen engagiert sich Roger Wirtz im Sinne der Baukultur auf dem Land und in der Stadt.
www.stein-hemmes-wirtz.de

Lesen Sie mehr aus der Reihe Upcoming Architects facing new Conditions auf der Seite GROHE Digital Talks

Weitere Blog-Einträge von Grohe

Upcoming Architects facing new Conditions – Interview mit Sebastian Kofink & Simon Jüttner, Kofink Schels Architekten

GROHE Digital Talks, Upcoming Architects facing new Conditions
März 2022
Blogger Curators, Grohe

„Auf der einen Seite steht die Tatsache, dass wir wirklich große klimatische und gesellschaftliche Herausforderungen meistern müssen und auf der anderen Seite eine Überregulierung, die eine kreative, schnelle und ernsthafte Reaktion auf diese Herausforderungen unterminiert. Sich hier für neue Rahmenbedingungen einzusetzen, ist ganz wichtig. Darin liegt eine Verantwortung unserer Disziplin – und eine Chance, dieser wieder mehr Relevanz zu verschaffen.“  Sebastian Kofink & Simon Jüttner

Upcoming Architects facing new Conditions – Interview mit Christian Olufemi und Jörg Moser, Olufemi Moser Architekten

GROHE Digital Talks, Upcoming Architects facing new Conditions
Januar 2022
Blogger Curators, Grohe

„Für die Umgebung ist Architektur immer ein Geben und Nehmen, da sich die Identität des Ortes mit jedem Strich verändert. Die Anforderungen an ein Gebäude müssen mit dem kulturellen Kontext im Einklang stehen. Hier zählt nicht nur das Bauwerk selbst, sondern ebenfalls der Einfluss auf das urbane Umfeld. Die Kubatur eines Gebäudes schafft immer ein Innen- und Aussenraum der mit einbezogen werden muss. Die Gestaltung und Materialiät des Gebäudes setzt dann einen entwerferischen Schwerpunkt, der sich trotz aller künstlerischen Freiheiten im Detail mit den gesetzlichen Vorgaben der Bauordnung vereinbaren lassen muss. Am Modell lassen sich das Volumen und die Proportionen am Besten erarbeiten. Die Zeichenarbeiten, sowie Skizzen und grafische Darstellungen dokumentieren den Werdegang eines Projektes und erläutern den Arbeitsprozess visuell.“
Christian Olufemi und Jörg Moser

Upcoming Architects facing new Conditions – Interview mit Johanna Meyer-Grohbrügge, Büro Meyer-Grohbrügge

GROHE Digital Talks, Upcoming Architects facing new Conditions
Januar 2022
Blogger Grohe

„Aus meiner Sicht, gibt es dementsprechend nur zwei mögliche Wege zu bauen: Entweder man schafft Bauwerke, die hochwertig sind und wirklich lange halten oder man baut so, dass das Material relativ schnell und unkompliziert wieder in den Kreislauf zurückgeführt werden kann und kalkuliert damit von vornherein eine gewisse Flexibilität in der Bebauungsplanung mit ein.“
Johanna Meyer-Grohbrügge

Upcoming Architects facing new Conditions – Interview mit Nils Nolting, Cityförster architecture+urbanism

GROHE Digital Talks, Upcoming Architects facing new Conditions
Dezember 2021
Blogger Grohe

„Es reicht nicht, eine gute Gestaltung zu machen, sondern man muss als Architekt*in eine Vielzahl von komplexen Aspekten berücksichtigen. Das war ein Stück weit schon immer so, aber es sind eben weitere Bedingungen dazugekommen. Das betrifft zum einen die Gebäude selber und zum anderen das ganze Wohnumfeld und die stadtplanerische Organisation. Wir dürfen Gebäude nicht isoliert betrachten, wir müssen quartiersübergreifend denken.“
Nils Nolting

Upcoming Architects facing new Conditions – Interview mit Sonja Nagel, Björn Martenson und Jan Theissen, Amunt Architekten

GROHE Digital Talks, Upcoming Architects facing new Conditions
Dezember 2021
Blogger Grohe

„Im Prinzip ist jeder Quadratmeter, den man nicht baut, der Nachhaltigste. Deswegen ist es uns ein besonderes Anliegen, die Gebäude und Grundrisse so zu konzipieren, dass sie auf die wirklichen Bedürfnisse zugeschnitten sind und nicht ausufern. Wir denken außerdem über die Erstnutzung hinaus und integrieren Möglichkeiten der Um- oder Andersnutzung bereits in das Projekt.“
Prof. Sonja Nagel, Prof. Björn Martenson und Jan Theissen, Amunt Architekten

WordPress Video Lightbox