GROHE Digital Talks

Architekturbarometer 30mal10 – Interview mit Werner Frosch (Henning Larsen Architects)

Der Präsident der OTH Regensburg bezeichnete Ihren Entwurf für den Neubau der Fakultät Architektur und Verwaltung dort vor Ort als einen Quantensprung für die Lehre. Dem schloss sich auch die bayerische Staatsministerin für Wohnen, Bau und Verkehr an und lobte Ihre modernen Lernkonzepte, die Interdisziplinarität förderten. Was ist die Kernidee dieses Projektes?

Das Hauptkonzept dieses Gebäudes besteht in der von uns dort eingeführten Lernspirale bzw. dem Raumkontinuum. Es handelt sich um einen über alle Geschosse durchgängigen Raum, der über Treppen verbunden ist und in dem sich sozusagen die gesamten Lern- und Arbeitsräume der Studenten aus den unterschiedlichen Fakultäten verbinden. Es gibt also keine Trennung zwischen den verschiedenen Arbeitsräumen oder Themenbereichen, sondern alle sind Teil eines gesamten Ganzen.

Insgesamt sind in dem Gebäude vier unterschiedliche Fakultäten gestalterischer Berufe untergebracht, sie benötigen Übungs- und Arbeitsräume. Es zeichnen sich zwei Tendenzen ab, die derzeit diskutiert werden: Die eine Richtung ist das zunehmende Homeoffice und die andere das Umfunktionieren von Gebäuden zu sozialen Treffpunkten, die extrem wichtig sind und die wir auch brauchen. Hier bietet die OTH eine Bühne, wo sich Leute zukünftig treffen können. Trotz aller Corona-Maßnahmen und Notwendigkeiten ist der soziale Kontakt und das Lernen miteinander das Alpha und Omega.


Ein chinesisches Schriftzeichen besagt, dass wir uns weiterentwickeln und wachsen können, wenn wir die Chancen von Krisen erkennen und nutzen. Sind die Chancen der Pandemie Ihrer Meinung nach schon erkennbar?

Momentan sehe ich die Chance in der Reduzierung der Reisen, da seit Corona die Akzeptanz der Videokonferenzen wie Zoom- oder Team-Meetings auf allen Seiten zugenommen hat, auch unter unseren Bauherren. Der Preis der Krise geht zulasten der sozialen Kontakte. Wir haben bei unseren Mitarbeitern deutlich gemerkt, dass das Bedürfnis, mit anderen Leuten in Kontakt zu kommen, sich zu treffen und ins Büro zurückzukommen, immer stärker wurde.

Auf der urbanen Ebene bietet die Krise die Chance, über die Verteilung der Ressource Fläche und wie wir mit ihr umgehen, nachzudenken. Schaut man sich die Gebäudezwischenräume, die Straßen und öffentlichen Plätze an, dann kann man beobachten, dass Corona Möglichkeiten eröffnet hat, an die vorher kaum zu denken war: viel mehr Fahrradfahrspuren, Außenservierungen von Gaststätten auf ehemaligen Parkplätzen etc.. Plötzlich diskutiert man über urbane Qualitäten in einer anderen Art und Weise und darüber, welche Qualitäten eine Stadt erfüllen muss, damit die Menschen sich dort wohlfühlen und öffentlichen Freiräume zur Verfügung gestellt werden.

Auch mit Balkonen an Wohnungen wird mehr über private Freiräume diskutiert. Man wird intensiver darüber nachdenken, wie man Höfe in den Wohnblöcken setzt und wie man sie statt als Parkplätze und Flächen für Garagen alternativ als qualitative Aufenthaltsflächen plant, die die Anwohner für ihre Erholung im Nahbereich nutzen können. Die Erwartung der Gesellschaft in diese Richtungen hat sich seit der Krise verändert.


Zehn Jahre Wirtschaftswachstum liegen hinter uns, eine Fortsetzung zeichnet sich derzeit nicht ab. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung für die Architekturbranche?

Wir befinden uns in der Architekturbranche auf einem sehr hohen Aktivitätsniveau und haben kaum Arbeitslosigkeit. Ich vermute, es gibt kein Architekturbüro, das in den letzten Jahren über zu wenig Aufträge klagen konnte. Die Situation ist also extraordinär gut. Als ich in 2000 mein Studium abschloss, sah die Lage in Deutschland ganz anders aus. Ich habe auch 2007 und 2008 die Weltwirtschaftskrise in Kopenhagen ganz anders erlebt als sie hier in München spürbar war: Wir haben damals wegen zu geringer Auftragslage über ein Drittel unserer Mitarbeiter entlassen müssen. Davon hat man damals in Deutschland nichts gespürt.

In der Bau- und Immobilienbranche war es eher so, dass sich das Geld plötzlich nach Deutschland orientierte und dort zu einem Aufschwung führte, in dem wir uns bis heute befinden. Eine gewisse Abschwächung dieses Aufwärtstrends ist vielleicht nicht so schlimm, wenn wir in eine gewisse Normalisierung münden. Jeder beklagt doch die Situation des Handwerkermangels und der Preisanstiege, eigentlich auch keine gute Situation.

Ich kann allerdings nur hoffen, dass durch die Krise nicht unsere Ideale in Richtung Ökologie, Nachhaltigkeit und Verantwortlichkeit schwinden, sondern dass wir auch weiterhin verantwortlich denken und handeln. In den anstehenden Werteveränderungsprozessen übernehmen wir Architekten eine wichtige Rolle. Wir arbeiten beispielsweise mit den aus Skandinavien kommenden Sustainable Development Goals, diese 17 von der UN erstellten Ziele, die definieren, wie eine nachhaltige Gesellschaft aussehen kann. In Dänemark messen sich sehr viele Firmen an diesen Vorgaben und agieren immer bewusster in Richtung dieser nachhaltigen Ziele. Diese Bewusstseinswelle können wir als Architekten sicher sehr gut unterstützen und sie eröffnet gute Chancen für uns Architekten.

Gerade die Umformung der Städte in Richtung der Nachhaltigkeit ist ein enormes Kapitel, das wir vor uns haben. Diesbezüglich sind uns andere Länder – wie beispielsweise Dänemark – voraus, dort gibt es heute einen großen Knowledge-Export, weil sich das Land schon sehr früh die CO2-Neutralität auf die Fahne geschrieben hat. Man denkt seit langer Zeit über die Water Resilience nach und fragt sich, was bei Starkregenereignissen passiert und wie man dann mit den Wassermassen umgeht. Ein großes Wissen, von dem wir hier in Deutschland sicher auch Nutzen ziehen können.

Lesen Sie das vollständige Interview mit Werner Frosch auf der Seite des Architekturbarometer 30mal10 – Grohe Digital Talks.

 

Über Werner Frosch

Werner Frosch wurde in München geboren, wo er auch Architektur studierte. Seit 2002 arbeitet er bei Henning Larsen. Zuerst in Kopenhagen, bevor er 2011 das Münchner Büro gründete und seither dort als Geschäftsführer tätig ist. 2014 wurde er Partner bei Henning Larsen Architects. Seit 2015 ist er Mitglied des Deutschen Werkbunds Bayern, seit 2019 erster Vorsitzender des Vorstands. Werner Frosch ist als Architekt, Projektdirektor, Preisrichter, Vortragsredner sowie Fachberater in Gremien tätig. (www.henninglarsen.com)

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