GROHE Digital Talks

Architekturbarometer 30mal10 – Interview mit Tobias C. Bloemeke (Carpus + Partner)

Sie erwähnen auf Ihrer Webseite, dass das Ergebnis Ihrer Leistungen einzigartige Unternehmensimmobilien sind. Was verstehen Sie unter einzigartigen Immobilien?

Wichtig ist mir bei der Beantwortung dieser Frage, Herrn Günter Carpus zu erwähnen, einer der zwei Unternehmensgründer. Peter Winkler war der zweite. Letztlich haben wir bei Carpus+Partner alles diesen zwei Herren zu verdanken, die das Unternehmen aufgebaut haben und die sich schon sehr früh und immerwährend mit der Frage der besten Unternehmensstruktur und mit der Frage, welche Werte und welche Organisationsform zum Erfolg führen werden, beschäftigt haben. Günter Carpus sprach in diesem Zusammenhang immer von der sogenannten Mozart-Fähigkeit eines jeden Menschen. Wolfgang Amadeus Mozart war ein Wunderkind und ein begnadeter Pianist und Komponist. Laut Günter Carpus Auffassung schlummert in jedem Menschen eine ganz besondere Fähigkeit, ähnlich wie Mozart sie hatte. Die Frage ist nur, tritt sie irgendwann zutage oder nicht.

Die Idee unseres Unternehmens ist, den Menschen in seiner Mozart-Fähigkeit zu entdecken und eine Unternehmensplattform zu bieten, auf der sich jeder Mensch so frei entfalten kann, dass er möglichst seine besondere Fähigkeit entdeckt. Einzelne Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben sich bei uns bereits in bestimmte Bereiche vorgearbeitet, die sie möglicherweise ohne diese offene Unternehmensphilosophie nicht für sich entdeckt hätten. Und mit genau diesem gleichen Ansatz gehen wir auch an ein Kundenprojekt heran, was der Auftraggeber nicht erwartet und ihn überrascht.

Wir arbeiten fast für alle dreißig DAX-Firmen, unter denen es noch recht tradierte Unternehmungen gibt, die aus einer Zeit stammen, in der man davon einfach überhaupt noch nichts hören wollte oder konnte. Und jetzt kommen die Carpus Berater mit unserer Kultur und Haltung und sprechen von der Mozart-Fähigkeit. Das stößt zunächst auf Erstaunen, man betont, man wolle doch nur ein Gebäude bauen. Wir hingegen weisen darauf hin, dass das Gebäude mehr als ein Haus mit fünfhundert oder tausend Arbeitsplätzen ist, nämlich ein Ort, wo sich Menschen begegnen und vernetzen, wo Kreativität und innovative Ideen entstehen. Und damit überzeugen wir viele CEOs, weil sie natürlich ein Interesse daran haben, dass es dem Unternehmen langfristig gut geht.

Wir leben in Deutschland in einer Technologiegesellschaft und schaffen Wertschöpfung vorrangig mit unseren Köpfen, nicht mit unseren Händen. Diese denkenden Menschen und kreativen Köpfe sind sehr empfänglich für diesen Ansatz. Mehr und mehr Unternehmen in Deutschland schaffen nach und nach den wichtigen Schritt in eine zukunftsweisende Richtung.


Es ist den Medien zu entnehmen, dass Corona bahnbrechende Veränderungen für die Unternehmenswelten nach sich ziehen wird. Welche sind das aus Ihrer Sicht?

Ich unterscheide hier immer zwischen drei Kategorien. Kategorie eins ist das unmittelbare Erkennen von vorhandenen Schwachstellen. Wie anfänglich bereits gesagt, waren wir bei Carpus bedingt durch unsere Philosophie, unsere Haltung und unsere Werte längst Corona-ready und mussten nur noch auf einen Knopf drücken und entscheiden, welche Maßnahmen wir heute beachten müssen, damit das Arbeiten aller von zu Hause gut funktioniert. Corona hat bei vielen tradierten, patriarchisch und hierarchisch geführten Unternehmen erst einmal zu einem Schock geführt. Und dennoch mussten diese Unternehmen innerhalb kürzester Zeit dafür sorgen, dass die Geschäfte weiterlaufen. Sie haben dann in kurzer Zeit erkannt, dass das Ganze trotz Umstellung auf Home-Office doch sehr gut funktioniert. Es hätte sicherlich noch eine Generation Geschäftsführer gebraucht, bis die neue Generation über eine grundlegende Veränderung der Strukturen nachgedacht hätte. Also hat Corona die Vorspultaste ausgelöst, was vielen Unternehmen mindestens zehn bis zwanzig Jahre Entwicklung gebracht hat.

Kategorie zwei ist die Umstellung in eine Hybridphase, ein Wechsel zwischen Büroanwesenheit und Home- Office. Viele Unternehmen befinden sich noch in der Auslotungsphase, was bei dieser Art der Arbeitsweise gut und was schlecht läuft und was beibehalten werden sollte, ohne das soziokulturelle Miteinander im Unternehmen zu beeinträchtigen. Das ist auch etwas, was uns bei Carpus+Partner beschäftigt, denn wir pflegen sehr viele Rituale im Unternehmen, insbesondere Präsenzveranstaltungen, bei denen Mitarbeiterinformationen kommuniziert werden. Momentan geht das leider nicht in der uns geliebten Art und Weise, auch nicht die Sozialprojekte, bei denen unser Team beispielsweise ein Kinderheim saniert. Auch wir fragen uns, was uns neben der gemeinsamen Projektarbeit zusammenhält und was wir stattdessen tun können, um eine Standortübergreifende Identifikation aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit unserem Unternehmen zu sichern.

Kategorie drei stellt die wichtige Frage: Wenn Corona es in kürzester Zeit geschafft hat, Büroarbeitszeiten, neue technische Ausstattungen und Präsenzarbeit etc. und damit die wesentlichen Grundpfeiler unserer Arbeitswelt zu verändern, dann sollten wir hinterfragen, wann uns auch eine Veränderung bei anderen großen Themen wie Klimawandel, Globalisierung, Auswirkungen der Digitalisierung etc. gelingt. Probleme, die schon ewig bekannt sind, aber nicht engagiert genug angegangen wurden. Ich freue mich, dass durch die Disruption von Corona auch endlich andere Steine ins Rollen kamen, was meiner Meinung nach dringend notwendig ist. Wenn wir jetzt genau hinschauen und mutig sind, die richtigen Entscheidungen zu treffen, werden wir auch in 50 Jahren noch solche spannenden Gespräche über die Zukunft führen. Wenn nicht, könnte es eng werden.


Corona bietet die Chance für ein vollständiges Umdenken von Betriebsabläufen. Das verändert die künftige Interaktion zwischen Mensch und Büroimmobilie. Welche Auswirkungen wird das auf die Architektur haben und wie wird sie sich verändern?

Architektur sollte neben der prozessualen Intelligenz für einen Technologieanwender, von dem wir immer reden, insbesondere ein inspirierendes, kreativitätsförderndes Umfeld bieten. Es gibt die Beispiele der Monumentalarchitektur aus den 1930er Jahren, die den Zweck hatte, den Einzelnen einzuschüchtern und die Massen zu einer großen, stolzen Gruppe zu machen. Das ist natürlich heute Gott sei Dank nicht mehr so. Ich bin der Meinung, dass Architektur dem Menschen immer Inspiration bieten sollte, etwas Sinnstiftendes zu tun. Wenn wir auf unsere Projekte schauen, entwickeln wir gerne Landschaften, die zum Ausprobieren und zum Nachdenken anregen.

Das Innovation Centre für Hilti ist ein tolles Beispiel, in dem es Möglichkeiten gibt, die Wände zu bemalen, in die Wand zu bohren, irgendwo etwas hin zu schrauben oder einfach einmal etwas ausprobieren zu können. Die Mitarbeiter sind Tüftler und Bastler und möchten im Gebäude ihre spontanen Ideen ganz schnell ausprobieren und begreifen. Das finde ich einfach toll, weil der 3D-Drucker das nicht gemacht hätte.

Die Rationalisierung von Bauprozessen bei standardisierten Bauwerken wie einer Wohnung, einem Hotelzimmer oder einem Studentenwohnheim liegt ganz klar im Trend. Romantisierend könnte man sagen, wie schade es ist, dass hier der Architekt keinen Stift in die Hand nehmen muss, um sich kreativ auszutoben. Jedoch ist diese Zeit vorbei.

Der Markt, vor allem das Kapital werden sich für die Wege und Methoden entscheiden, die sie am schnellsten zu einem wirtschaftlich motivierten Ziel führen. Bei unseren Projekten geht das überhaupt nicht, weil unsere Kunden eine inspirierende, kreativitätsfördernde und auch überraschende Arbeitsumgebung brauchen. Und diese Überraschungen kann sich nur der Architekt im Kopf ausdenken, sein kreativer Geist mit all der Empathie, der Bildung und Menschenkenntnis ist nach wie vor gefragt. Dies kann der Computer nicht ersetzen.

Lesen Sie das vollständige Interview mit Tobias C. Bloemeke auf der Seite des Architekturbarometer 30mal10 – Grohe Digital Talks.

 

Über Tobias C. Bloemeke

Tobias Bloemeke studierte Architektur an der RWTH Aachen. Sein beruflicher Werdegang führte ihn vom Büro Norman Foster in London über RKW in Düsseldorf 2016 zu Carpus+Partner nach Aachen. Seit 2017 leitet er den Standort München sowie den Fachbereich Architektur. Als Experte für die Entwicklung moderner Arbeitswelten gilt sein besonderes Interesse der Abbildung optimaler Nutzeranforderung bei gleichzeitiger Berücksichtigung strategischer Unternehmensziele sowie einer ansprechenden Gebäudearchitektur. (www.carpus.de)

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