GROHE Digital Talks

Architekturbarometer 30mal10 – Interview mit Markus Hammes (hammeskrause architekten)

Welche Erfahrungen haben Sie in Ihrem Büro seit Corona gemacht und in welchen Projekten sind Sie derzeit schwerpunktmäßig tätig?

Uns und dem gesamten Büro geht es sehr gut, wir haben tolle und interessante Aufgaben und sehr engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Vor sechs Jahren sind wir über unsere Auslandsprojekte
stark in die Digitalisierung eingestiegen und haben dafür auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gefunden, die einen anderen Fokus auf diese Thematik hatten als wir bislang, was uns in dieser momentanen Situation sehr zugute gekommen ist. Gestoppt wurden wegen der Pandemie bislang keines unserer Projekte, wir wurden sogar mit einer kürzlich aufgesetzten Studie neu beauftragt, mit der wir uns seit einigen Wochen beschäftigen. Verzögerungen auf den Baustellen, die sich durch die Krise erklären, haben wir bislang auch nicht erlebt. Wenn es zu Verzögerungen kam, dann bedingt durch
Firmen, die schon vor Corona nicht überzeugend performt haben. Auch verspätete Materiallieferungen führten bislang nicht zu signifikanten Veränderungen. Verzögerungen kommen eher durch die Strukturen der Partner zustande, die keinen Kontakt zulassen.

Unterschiedliche Erfahrungen machen wir bei unseren öffentlichen Projekten: einerseits erleben wir sehr gut organisierte Verwaltungen und andererseits solche, die es nicht sind und bei denen uns die Ansprechpartner über Wochen gefehlt haben, sodass auch keine Entscheidungen getroffen werden konnten. Bei unseren Industrieprojekten hat man sehr schnell und professionell auf die Situation reagiert, brauchte nur zwei bis drei Wochen, um sich neu zu organisieren. Das haben wir übrigens auch gemacht. Wir haben unser Büro 14 Tage komplett geschlossen, haben alle VPN-Verbindungen in den Homeoffices aufgebaut, das Büro unter Gesichtspunkten der Abstandsregeln neu strukturiert und waren damit nach zehn Tagen voll  arbeitsfähig. Was unser Arbeitsspektrum anbetrifft sind wir momentan schwerpunktmäßig im Forschungsbereich tätig. Für Hoffmann-La Roche haben wir im letzten Jahr in Basel und in Shanghai Projekte fertiggestellt. Am 5. Februar wäre in Shanghai die Einweihung gewesen, sie ist nun leider der Pandemie zum Opfer gefallen. Durch die Projekte, die wir für Hoffmann-La Roche gemacht haben, haben wir jetzt auch einige Aufträge von deutschen Pharmaunternehmen erhalten, die alle super professionell laufen, was uns sehr freut. Auch für die Bildung sind wir tätig, machen aber in diesem Bereich eher kleine Aufgaben wie z. Bsp. Kindergärten und Mensen. Vor kurzem haben wir im Schulbereich eine sehr schöne Mensa in Stuttgart und ein sehr schönes kleines Schülerlabor für die Universität fertiggestellt. Wohnungsbau machen wir kaum, es hat sich nicht so ergeben. Außerdem tun wir uns schwer, wenn eine Immobilie ausschließlich der Spekulation unterliegt und damit als Business angesehen wird.

 

Bietet die Krise eine Chance für unsere Baukultur und im Speziellen für die verschiedenen Bautypologien?

Betrachte ich die wenigen globalen Krisen, die ich in meinem Leben erlebt habe und hinterfrage die Konsequenzen auf die jeweiligen Typologien, dann kann ich nur feststellen, dass sich kaum etwas verändert hat. Nach 09/11 gab es eine Diskussion über eine Bautypologie in direktem Kontext mit einer Krise. Man proklamierte, die Zeit der Hochhäuser sei vorbei. Das Hochhaus sei ein Gefahrenpotenzial, da es ein Angriffspunkt für Terroristen sei und man auf einen Schlag mehrere tausend Menschen elemenieren könnte. Was hatte sich damals wirklich geändert? Tatsächlich sind nach 09/11 noch mehr und noch höhere – und gerade in New York extremere – Skyscraper entstanden. Was sich geändert hat, sind Gesetze, um Überwachungsmechanismen einzuführen, wie z.Bsp. die Verschärfung der Flughafenkontrollen. Es werden sich also Dinge nach der jetzigen Pandemie ändern, nur ob es die sind, die in der Hochzeit einer Krise diskutiert werden, bezweifele ich. Ich glaube vielmehr, dass sich zukünftig Dinge wieder nach neuen Gesichtspunkten organisieren werden. Derzeit wird die Dichte in den Städten wieder in Frage gestellt, Dichte war das Zauberwort der letzten Jahre. Der Auftrag lautete, wieder mehr Dichte in die Städte zu bringen, um sie urbaner zu machen und ein diversifiziertes
Leben zu ermöglichen. Jetzt in Corona Zeiten ist das Landleben wieder in aller Munde. Jeder, der ein Häuschen im Grünen mit einem Garten hat, wird beneidet, weil er sich von allen Menschen fernhalten kann.

Ich bin davon überzeugt, dass wir mittel- oder langfristig wieder dahin kommen werden, wo wir vor der Krise standen: die Menschen werden weiterhin in die Städte ziehen und die Städte werden immer größer und dichter werden. Die Zukunft des Lebens der Menschen kann ja nicht zum Ziel haben, sich aus dem Weg zu gehen.

 

Sie erwähnten Ihre besondere Expertise im Bereich Forschung und Wissenschaften. Fließen in Ihre Planungen durch die Krise gemachten Erfahrungen ein?

Die zunehmende Digitalisierung hat einen Einfluss auf die Art, wie wir miteinander kommunizieren und damit auch auf die Architektur. Wir machen gerade zwei Projekte für internationale Pharmaunternehmen. Sie haben ihre Standorte in den USA, in Europa, in China und in Asien. Sie sind es gewohnt, in den gleichen Forschungsgruppen über alle drei Kontinente zu arbeiten und dass ihre Chefs in den USA sitzen oder eine ihrer Forschungsgruppen in Asien angesiedelt ist. Und sie sind es gewohnt, so zu kommunizieren, wie es der Großteil der Bevölkerung seit Corona in den letzten drei Monaten für sich entdeckt hat. Und mit diesen Wissenschaftlern konzipieren wir neue Gebäude. Ihre größte Sehnsucht ist, Gebäude zu haben, die die Menschen miteinander verbindet. Das ist ungebrochen und das ändert sich auch nicht. Trotz der zunehmenden Digitalisierung und der vielen virtuellen Konferenzen haben sie die Sehnsucht, auch face to face miteinander zu arbeiten, um Innovationen zu entwickeln. Es ist im übrigem wissenschaftlich bewiesen, dass eine direkte Kommunikation ein viel höheres Innovationspotenzial hat.

Die Digitalisierung ist auf dem Vormarsch und das ist auch gut so. Aber sie wird auf keinen Fall die direkte Kommunikation ersetzen.

 

Lesen Sie das vollständige Interview mit Markus Hammes auf der Seite des Architekturbarometer 30mal10 – Grohe Digital Talks.

 

Über Markus Hammes

geboren in Solingen, studierte Architektur und Stadtplanung an der Universität Stuttgart.
Im Anschluss an sein Studium war er als freier Mitarbeiter und Partner in verschiedenen Büros tätig und hatte einen Lehrauftrag an der Universität Stuttgart am Institut für Baustofflehre, Bauphysik, Technischen Ausbau und Entwerfen inne. 2001 gründete er gemeinsam mit Nils Krause das Büro hammeskrause architekten bda. Darüber hinaus war Markus Hammes Institutsrat Institut Fortbildung Bau der Architektenkammer Baden-Württemberg (2010-2014) und von 1. Vorsitzender Bund Deutscher Architekten (BDA) Stuttgart (2012-2016).  Bis heute ist er als Fachpreisrichter und Autor tätig und hält regelmäßig Vorträge. (www.hammeskrause.de)

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