VERSTECKTE MODERNE – Austellung im AIT-ArchitekturSalon Hamburg


Vernissage: 27. November 2017
Ausstellungsdauer: 28. November – 11. Januar 2018

Der Wiederaufbau der deutschen Städte hat sich einer architektonischen Neuausrichtung orientiert, die an die Sprache der Moderne anknüpft. Die Architektur des Bauhauses schien eine moralisch unverfängliche Ästhetik zu versprechen, die in Verbindung mit dem Begriff der funktionalen Stadt zur prägenden Doktrin wurde. Parallel dazu entwickelte sich auch eine ‚neue‘ Baukonstruktion, die nicht steinern sein wollte. Nicht von ungefähr ist der deutsche Pavillon auf der Weltausstellung 1954 aus sichtbarem Stahl. Neben der präszisen Konstruktion aus der Logik des Stahls ist aber auch auf Grund des Mangels der Nachkriegszeit in Ost und West experimentelles entstanden.

Die Architektur der Nachkriegsmoderne ist Teil unseres baukulturellen Erbes. Momentan findet zögerlich eine teilweise Neubewertung dieser Epoche im Sinne einer Begriffserweiterung statt. Oft ist jedoch selbst Fachleuten unbekannt, dass viele dieser baukulturellen Schätze ein meist nicht sichtbares Stahltragwerk haben, also Stahlbauten der Nachkriegsmoderne sind. Dass in den Nachkriegsjahrzehnten in Referenz zu Mies van der Rohes Bauten der Skelettbau in Deutschland zu neuem architektonischen Ansehen kam, ist nachzuvollziehen, war doch Amerika ein Vorbild für vieles in dieser Zeit.
Der Begriff Stahlbauten der Nachkriegsmoderne wird wie folgt verstanden: Gebäude, welche in den 50er und 60er Jahren in Deutschland entstanden sind und ein (meist nicht sichtbares) Stahltragwerk haben. Viele dieser Bauten stehen heute vor der Fragestellung Abriss oder Modernisierung.

Da sich auf dem Baumarkt vieles erst entwickelte, ist die Architektur der Nachkriegszeit von individuellen Lösungen geprägt und von nicht immer standardisierten Ausführungen. Dies bedeutet einerseits beim Umbau von Bauten dieser Zeit, auf Überraschungen gefasst zu sein und gleichzeitig bei einer Transformation nicht auf gesicherte Kenntnisse der Substanz zurückgreifen zu können. Da mit den Jahren die Bauten der Nachkriegsarchitektur an die Grenze des Lebensalters kommen, sind diese oftmals in Ihrer Substanz gefährdet als auch in ihrem Unterhalt nicht mehr betriebswirtschaftlich zeitgemäß (Energiekosten und Wärmedurchlass). Gleichwohl spricht einiges gegen einen flächendeckenden und bedingungslosen Abriss, da es sich vor allem in den Zentren der Städte um ästhetisch besondere Bauwerke handelt, die zur Identität der Wiederaufbauer beigetragen haben und nicht ohne Weiteres zu ersetzen sind. Interessant ist ebenfalls, dass es sich oft auch um Bauwerke handelt, die aus dem Geist der Moderne heraus zur damaligen Zeit einen neuen Maßstab eingeführt haben, sprich eine besondere Ausnutzung des Grundstücks erreicht haben, die aus heutiger Sicht nicht mehr genehmigungsfähig wäre und sich ein Erhalt und Sanierung wirtschaftlich rechnet. Da die Sanierungskosten zum Beispiel für einen Hochbau dieser Zeit durch geringere Ausnutzungen der Neubauten an gleicher Stelle wirtschaftlich besser vertreten werden als Abriss und Neubau, z. B. (Silo Rheinauhafen, Gerling Bauten etc.)

Im Übrigen ist der Sanierungsanteil der Stahlbauten vor allem in der Flexibilität der Grundrisstypologien gegeben, sodass diese Bauten im sanierten Zustand modernen Ansprüchen vollauf genügen. Neben den wirtschaftlichen Vorteilen, die eine Sanierung bringen kann, darf in der Kalkulation nicht der ästhetische Wert und die Identität fehlen, die dem Standort über lange Jahre durch ein prägendes Bauwerk zuwächst und der sich nicht selten in Vermarktungsvorteilen und Wettbewerbsfähigkeit ausdrückt. Die gesellschaftliche Wahrnehmung und Akzeptanz ist stetig steigend und kommt für viele Bauten der Nachkriegsmoderne zur rechten Zeit, denn ihr substanzieller Lebenszyklus ist an einem kritischen Punkt (z.B. Schauspielhaus und Oper Köln, die ursprünglich einem Neubau weichen sollten und nun nach starkem Bürgerprotest saniert werden. Schlüsselbauten der 60er Jahre). Die architektonische Praxis ist zunehmend begleitet von einem Interesse der Bauherren eine Zertifizierung zu erlangen. Dies wird nicht selten nach anfänglicher Diskussion über die Maßnahmen, aus finanziellen Gründen zurückgestuft oder ausgesetzt. Interessant in der Praxis ist bei solchen Diskussionen, dass die Aspekte der Nachhaltigkeit mehr an Energiethemen festgemacht werden, als an Flexibilität oder Umbaufähigkeit. Dabei sind aus unserer Sicht, gerade die beiden letzten Punkte, die alles entscheidenden Kriterien, um ein Bauwerk zu erhalten, denn die typologische Struktur und konstruktive Substanz muss erweiterbar und veränderbar sein. Die technische Runderneuerung ist im Wesentlichen unumgänglich, da infrastrukturelle Einbauten nach 20-30 Jahren überholt sind und gänzlich getauscht werden müssen. Die architektonischen Gestaltwerte können aber nach wie vor beträchtlich sein!

Die von uns als ‚Versteckte Moderne‘ titulierten Stahlbauten sind bisher nur bedingt Themenschwerpunkt für Architekturhistoriker. Da will die Ausstellung Anregung und Auftakt sein.
Mit den Ausstellungen wird das Ziel verfolgt auf die oft vergessenen Bauten, die nicht als Stahlbauten der Nachkriegsmoderne auf den ersten Blick zu erkennen sind, aufmerksam zu machen. In den 50er und 60er Jahren war Stahl meist noch mehr versteckter Helfer, wurde erst später zum sichtbaren Akteur. Es soll darauf hingewiesen werden, dass das oft versteckte Tragwerk aus Stahl, auch wenn es gestalterisch gar nicht in Erscheinung tritt, doch oft entscheidend zur Flexibilität und Umnutzungsfähigkeit der Gebäude beiträgt.


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