November-Reihe 2017 – Vortrag von Luyanda Mpahlwa

Vortrag von Luyanda Mpahlwa am 29. November 2017 an der Universität Stuttgart

Die soziale Dimension von Architektur
Den Abschlussvortrag der zwölften Ausgabe der Stuttgarter Novemberreihe bestreitet der südafrikanische Architekt Luyanda Mpahlwa, der sich zunächst auf deutsch bei Fakultät und Sto-Stiftung für die Einladung bedankt – und dann seine anwesende Verwandtschaft auf schwäbisch begrüßt. Luyanda Mpahlwas Frau und Büropartnerin Ulrike stammt aus Sigmaringen, beide haben sich beim Studium in Berlin kennengelernt. Dieser fröhlich-menschliche Auftakt setzt sich im Vortrag fort. Denn bei Mpahlwa geht es um Menschen und darum, in einen echten Austausch zu kommen. Und es geht um ein Architektur- und Gestaltungsverständnis das sich aus einer bewegten und für die Zuhörer auch erschütternden Lebensgeschichte speist.

Luyanda Mpahlwa wuchs im Südafrika der Apartheid auf. Als er 1980 als einer der ersten schwarzen Studenten seines Landes in Durban ein Architekturstudium aufnahm, war es ihm nicht erlaubt, wie seine weißen Kommilitonen auf dem Campus zu wohnen. Er lebte im benachbarten Township. Nach nur einem Jahr Studium wurde er als Anti-Apartheid-Aktivist für fünf Jahre ins Gefängnis gesperrt. Dort lernte er Nelson Mandela kennen, der ihn und seinen Blick auf die Welt stark prägte. 1986 emigrierte er nach Deutschland und lernte ein Jahr von früh bis spät die neue Sprache in einer Flüchtlingsunterkunft um im Anschluss sein Architekturstudium an der TU Berlin wieder aufnehmen zu können. Nach erfolgreichen Angestelltenjahren im Berlin der 90er Jahre zog er 2000 nach Kapstadt zurück um das Büro DesignSpaceAfrica zu gründen und am „Projekt Demokratie“ seines Heimatlandes mitzuwirken.

Der charismatische Referent ist überzeugt, dass gute Architektur kulturelle Identität widerspiegeln muss. Die Frage, was typisch für sein Land sein könne, hat ihn beim Bau der südafrikanischen Botschaft in Berlin zum ersten Mal beschäftigt und seither nicht mehr losgelassen. Sei es beim Bau eines Luxushotels im aufstrebenden Trendviertel der 1.-Welt-Metropole Kapstadt – oder bei all den vielen Sozialprojekten in den Townships und informellen Siedlungen in Kapstadt, die eine ganz andere Welt zeigen – und doch der Lebensmittelpunkt des viel größeren Teils der südafrikanischen Bevölkerung sind.

Als typische Elemente südafrikanischen Bauens hat Mpahlwa verschiedenfarbige Erden und Farben, die durch Beimischung von Oxiden erreicht werden, ausgemacht. Gerne arbeitet er auch mit traditionellen Methoden und kunsthandwerklichen Praktiken, die charakteristische Formen und eine sehr spezifische Plastizität erzeugen. Für sein Büro stellt dich im Entwurfsprozess nicht nur die Frage, „wie etwas am Ende aussieht – sondern auch auf welche Weise es gemacht wurde“.

Damit setzt er sich nicht nur mit Ästhetik auseinander, sondern auch mit Aneignungsprozessen. Sein bekanntes 10 x10 Sandhaus-Projekt ist eine Serie zweistöckige Häuser für je knapp 4000 €, die nur aus mit Sand gefüllten Säcken und einer einfachen Holzkonstruktion entstanden. Mpahlwa erläutert, wie die künftigen Bewohner anpackten und der gesamte Bauprozess zu einer menschlich-sozialen Erfahrung wurde, bei dem neben Häusern auch Selbstbewusstsein, Stolz und Freundschaft entstanden. Diese „soziale Dimension von Architektur“ und der Umgang mit dem schwierigen Erbe der immer noch stark separierten Stadtviertel beschäftigt das Büro DesignSpaceAfrica. Sei es beim Bau von 50 Grundschulen innerhalb von zwei Jahren, ein Projekt, das auf der Biennale in Venedig gezeigt wurde, oder bei der behutsamen Aufwertung der informellen Siedlung „Kosovo“ mit rund 15.000 Einwohnern im Außenbezirk von Kapstadt.

Luyanda Mpahlwa ist bereit, sich persönlich einzulassen. Er spricht mit den Menschen, akzeptiert Realitäten und Bedürfnisse und arbeitet mit Fingerspitzengefühl daran, Menschen bei der Verbesserung ihrer Lebensbedingungen zu unterstützen. Dies wird in seinem Vortrag deutlich – und wird von dem mehrheitlich jungen Publikum an der Universität Stuttgart mit lang anhaltendem Applaus bedacht.


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